Bas Jan Ader

Klosterfelde

2013:Dec // Elke Stefanie Inders

Startseite > 12-2013 > Bas Jan Ader

12-2013
















Scheitern – Fallen – Verschwinden
/ Bas Jan Ader bei Klosterfelde

Gleich drei Mal in den letzten Monaten wurden Werke des niederländischen Konzept- und Performancekünstlers Bas Jan Ader (1942–1975) ausgestellt. In der Frankfurter Schirn, in der Hamburger Kunsthalle innerhalb der programmatischen Ausstellung „Besser Scheitern“ zusammen mit Marina Abramović und Steve McQueen und in der Berliner Galerie Klosterfelde. Was ist nur dran an der Kunst dieses grazilen jungen Mannes, der wie ein Vorgriff auf den 90er-Jahre-Slacker wirkt?
Die Schwerkraft und das Fallen spielen eine besondere Rolle bei Ader. Egal wo er hängt, sitzt, steht oder fährt, irgendwann liegt der Mann unten oder ist sogar verschwunden. In „Broken Fall (organic)“, einem Schwarz-Weiß-Video von 1971, baumelt Ader an einem Ast über einem Graben. Immer wieder positioniert er seine Hände neu, schaukelt hin und her, bis er schließlich haltlos ins Wasser fällt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang das „organic“, denn es gibt ein weiteres „Broken Fall“ Video, aber als „geometric“ Version, das bei Klosterfelde leider nicht zu sehen ist. Hier versucht sich Ader im rechtwinkligen Fallen und reißt dabei noch einen Holztischbock um. Zum Nachahmen ist das nicht geeignet. Das weiß ja auch jeder, der das mal ausprobiert hat. Es tut nur unheimlich weh. Im Video „Fall 2“ von 1970 verkürzt er diese qualvolle Prozedur, indem er sein Fahrrad und sich selbst direkt in eine Amsterdamer Gracht befördert. In der Hamburger Kunsthalle konnte man ihn sogar mit einem Stuhl vom Dachfirsten eines Hauses purzeln sehen. Autsch! Das ist zutiefst komisch anzuschauen, ein wenig clownesk und man könnte sagen, die Grenze zum Slapstick sei fast überschritten. Aber Ader hat den Moment des Fallens, Verschwindens und Scheiterns so konsequent in seinem Werk inszeniert, bis er selber unter ungeklärten Umständen verschwand. Um das Wunderbare („In Search of the Miraculous“) zu suchen, stach er 1975 mit einem winzigen Boot von Cape Cod, Massachusetts in See. Wohin er wollte, war nicht klar. Und ob Ader tatsächlich verschwand? Man weiß es nicht genau. Hatte er mit dieser Aktion seinen Selbstmord inszeniert? Was intendiert jemand, der „a very long sailing trip“ unternehmen will? Eine Reise in das wunderbare Nirwana? Ziemlich rätselhaft oder einfach nur lebensmüde. Als ziemlich gesichert gelten die Überreste seines zerschellten Bootes, die man sechs Monate später an der irischen Küste fand.
Dass Ader nicht unbedingt als lebenslustig einzustufen ist, verdeutlicht die vierteilige Fotoserie „I’m too sad to tell you“ (1971) im ersten Raum bei Klosterfelde. Wozu ist Ader zu traurig, um es mitzuteilen? Ist das vom Künstler wirklich nur konzeptuell gedacht oder verschmilzt hier die eigene Realität allzu sehr mit der Kunst? Es wird jedenfalls viel und verzweifelt geheult. In der Erklärung zur Ausstellung bei Klosterfelde heißt es, dass diese Aufnahmen seinen „… sehr unmittelbaren und direkten Charakter“ offenbaren würden. Diese Feststellung deckt sich zwar mit dem Anliegen der Konzeptkünstler im Los Angeles der 70er Jahre, dass Kunst und Leben auf das Engste miteinander verwoben werden sollten und der Fragilität der menschlichen Existenz mehr Bedeutung beizumessen sei als der Utopie von Harmonie und Gleichgewicht, allerdings bekommt dieser Anspruch in der heutigen Zeit einen verdächtigen Authentizitätsbeigeschmack. Weniger authentisch wirkt die Schwarz-Weiß-Fotoserie „In Search of the Miraculous (One Night in Los Angeles)“ von 1973, in der Ader mit einer Taschenlampe ausstaffiert durch das nächtliche Los Angeles irrlichtert. Die Orte, die er aufsucht, wirken wie beiläufig oder zufällig gestreut, und alles riecht nach Abschied: Ein Hafen, Straßen, Autobahnen, leer stehende, baufällige Häuser oder Tunnel. Eigentlich alles Un-Orte, an denen man zu nächtlicher Stunde nicht sein mag. Aders Figur, die auf den Bildern nur schemenhaft, wie ein Geist oder Schatten seiner selbst erscheint, ist der Prototyp des „lonesome wolf“, kein Großstadtflaneur à la Walter Benjamin oder Franz Hessel, die distanziert, kritisch oder ironisch das Gesehene schildern. Im Gegenteil; bei Ader verschmelzen Innen- und Außenwelt zu einer fast schon bedrohlich, anonymen und sogartigen Großstadtwelt – und Ader? He’s just fading away!
Als Betrachter muss man also selbst den Versuch unternehmen, eine Distanz oder Metaebene in das Gesehene zu bekommen. Dann kann man durchaus weiterführende Fragestellungen oder Themen entdecken. Gelungener ist dies in der Hamburger Ausstellung „Besser Scheitern“, in der die Arbeiten im Kontext der gesellschaftlichen Tabuisierung des Scheiterns in der Moderne verhandelt werden. Bei Klosterfelde hingegen stehen die Werke Aders in einem unmittelbar programmatischen Zusammenhang mit dem Werdegang der Galerie: Hier ist es ein Abschiedsgruß, denn Martin Klosterfelde schloss nach 18 Jahren am 10. August 2013 seine renommierte Galerie. Das ist bedauerlich!    

Bas Jan Ader „In Search of the Miraculous“, Klosterfelde,
Potsdamer Straße 93, 7.6.–10.8. 2013
Bas Jan Ader „I’m too sad to tell you“, 1970 (© )
Martin Klosterfelde auf seinem Segelboot (© Privat)
Microtime für Seitenaufbau: 1.30659413338