„Der Droste Effekt“

Esther Schipper

2007:Nov // Petra Reichensperger

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11-2007
















Die Einladungskarte zur Themenausstellung „Der ­Droste Effekt“ zeigt eine werbende Krankenschwester mit der Trinkschokolade „Droste“, die sich in ihrem präsentierten Produkt unendlich wiederholt und dem Effekt wie dem Ausstellungstitel den Namen gab. Die Wiederholung der Wiederholung wird als Verfahren seit Jahrzehnten von der Kunst wie auch der Musik befragt, um traditionell herrschende Gegensätze von Original und Kopie, Echtheit und Fake zu problematisieren. Wie die Ausstellung in der Galerie Esther Schipper zeigt, hat diese Befragung an Aktualität nichts eingebüßt.  

Denn auch hier zeigt sich das Verfahren der Wiederholung der Wiederholung als eine produktive Möglichkeit bewusster Wahrnehmung und Reflexion. Es steht für eine Hinterfragung der medialen, institutionellen und sozialen Bedingungen von Kunst. Doch es kann auch zur Abstumpfung und Gewöhnung führen, wie die Ko-Kuratorin Henrikke Nielsen ihre Erfahrung aus gemeinsamen Ausstellungsbesuchen mit Robert Meijer, ihrem Kollegen bei Esther Schipper, resümiert: „Wenn sonst nichts klappt: Wiederholung wiederholen.“

Daher wollten Meijer und Nielsen das Verfahren dezidiert auf die Probe stellen. Dafür haben sie sich bewusst für Bilder und gegen Skulptur und Installation entschieden. Bei allen acht gezeigten Arbeiten geht es um die Differenz, die bei der Wiederholung entsteht. So gibt es niemals Gleichheit, sondern es entsteht Neues durch Verschiebungen.

Eine Denkfigur, die besonders in der Arbeit des Künstlers Mario Garcia Torres eine große Rolle spielt. Seine beiden über Eck gestellten Dia-Projektoren werfen zeitversetzt eine Folge von Einzelbildern auf die Ausstellungswände. Während die eine Diaserie eine Sequenz aus dem Film „Smoke“ neu inszeniert, ist die andere aus Found Footages zusammengesetzt, die ausschließlich Wasserfälle zeigen. Hier wird durch die Erinnerung an die Anwesenheit des Abwesenden das Abwesende verlebendigt und mit einer neuen Geschichte verwoben.  

Garcia Torres’ zweiteilige Diaserie „11 Years Later“ würde ohne die entscheidende Episode, in der es um den Status der Fotografie und den Schein des Gleichen aus dem Film „Smoke“ von Wayne Wang und Paul Auster geht, nicht in Fahrt kommen. In dem legendären Film fotografiert der Protagonist, Auggie Wren jeden Morgen die Straßenkreuzung vor seinem Tabakgeschäft in Brooklyn. 4000 Aufnahmen hat er bereits. Als er die Bilder dem Stammkunden Benjamin Paul zeigt, der tagtäglich „Schimmelpennincks“-Cigarillos bei ihm kauft, ruft dieser: „Die sind ja alle gleich!“  

Wren gibt ihm daraufhin den entscheidenden Hinweis: „Die sind alle gleich, aber jedes ist anders als alle anderen. Es gibt helle Morgen und dunkle Morgen, es gibt Sommerlicht und Herbstlicht. (…) Wenn Sie so schnell schauen, werden Sie nie dahinter kommen. Sie müssen langsamer machen." Das tut Benjamin dann auch und entdeckt – gemeinsam mit dem Zuschauer des Films – die Poesie der Bilder.  

„Slow down“ – „Geh’s langsam an“ könnte dann auch die Rezeptions-Anweisung für die gesamte Ausstellung lauten. Wie die auf den ersten Blick gleichen, jedoch unendlich variierten Fotografien in „Smoke“ spielen die Arbeiten in der Ausstellung mit dem Hin und Her, dem Verschieben von Bedeutungen. Dabei setzen die Exponate nicht auf Gewissheiten, sondern vermitteln die Grenze zwischen Darstellbarkeit und Undarstellbarkeit.

„Es ist vielleicht der höchste Gegenstand der Kunst“, schreibt Gilles Deleuze, „all diese Wiederholungen mit ihrer wesentlichen und rhythmischen Differenz, ihrer wechselseitigen Verschiebung und Verkleidung, ihrer Divergenz und ihrer Dezentrierung gleichzeitig in Bewegung zu setzen, sie ineinander zu verschränken und sie, von der einen zur anderen, in Illusionen zu hüllen, deren ‚Effekt’ sich von Fall zu Fall ändert.“ Eine Konsequenz des Wiederholens ist dann, nicht immer lesbar zu sein und an einer anderen Stelle zu überraschen. So wie es zum Beispiel mit Valentin Carrons Malerei auf Kunststoffplane in der Ausstellung der Fall ist. Auf welche Werbung er sich in seinem Bild bezieht, bleibt ein Rätsel. Seine Arbeit an Bildern über Bilder insistiert auf die Singularität der Wiederholung.

Ryan Gander, der sich kürzlich selbst als „Bastler“ bezeichnet hat, „der an unserem Motor Kunst arbeitet“, geht in seinem Beitrag über das Wiederholungsprinzip hinaus. Sein quadratisches Bild geht nicht bloß in seiner phänomenalen Wirkung auf, sondern seine Bedeutung insistiert ähnlich der zweiteiligen Arbeit „Magic Mirror of John Dee“ von Joachim Koester gerade auf Unsichtbares. Beide Künstler stellen in ihren Arbeiten dar, dass es Undarstellbares gibt.

Von den beiden schottischen Künstlerinnen Rosalind Nashashibi und Lucy Skaer, die in diesem Jahr ihr Land gemeinsam mit vier anderen auf der Biennale in Venedig vertreten war, ist in einer Black Box der 16-mm-Film „Flash in the Metropolitan“ zu sehen. Der im New Yorker Metropolitan Museum gedrehte Film reißt Objekte aus Ozeanien, Afrika und Nah-Ost aus ihrem Ausstellungsschlaf, um sie vor unseren Augen für einen kurzen Augenblick in ihrem magischen Zauber lebendig werden zu lassen. Jedes dieser Objekte wird einem Blitzlichtgewitter ausgesetzt, wodurch sich beim Betrachter Nachbilder einstellen. Auf diese Weise entsteht ein suggestiver Sog. Die Irritation in der Wahrnehmung geht so weit, dass man glaubt, die Figuren stünden leibhaft neben einem. Die Fähigkeit zur Verzauberung und zur Irritation ist Verdienst dieses drei Minuten langen Films.  

Die Ausstellungsinszenierung kommt wie der Film ­„Smoke“ beiläufig, diskret und reich an Anspielungen daher. Die Hängung der Arbeiten ist spannungsvoll, da sie mit unterschiedlichen Abständen der Bilder und Medien zueinander spielt. Ansonsten ist sie eher als klassisch zu bezeichnen: Dem Ausstellungsdisplay liegt eine große Einfachheit zu Grunde.  

Die Bilder sprechen hier nicht zuletzt durch die Wahl des White Cube und der Black Box in hohem Maße für sich selbst. Denn die weiße Zelle wird hier nicht nur als rahmender Raum instrumentalisiert, sondern der Rhythmus, der in dieser Inszenierung durch freigelassene Ausstellungswände entsteht, kommt als sinngebender Raum zwischen den Bildern zu seinem Recht. Die Ausstellung zeigt eindrucksvoll, wie wenig die Bedeutung des „weißen, idealen Raumes“ neutral gegenüber den ausgestellten Arbeiten ist, sondern die Frage nach dem Verhältnis von Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, von Buchstäblichkeit und Imagination sowie ihrer Differenz aufwirft. In diesem Spiel von Wiederholung und Varianz, das die Poesie der Differenz erfahren lässt, stellt sich „etwas von der Heiligkeit der Kirche, etwas von der Gemessenheit des Gerichtssaales, etwas vom Geheimnis des Forschungslabors“ her, wovon Brian O’Doherty 1976 gesprochen hatte.

„Der Droste Effekt“,
Esther Schipper,
Linienstraße 85
06.07.–15.09.2007
Anne Collier "January 1974 / January 1981", 2006 (© Courtesy Corvi-Mora, London / Esther Schipper, Berlin)
Installationsansicht „Der Droste Effekt“, Esther Schipper, Berlin 2007 (© Foto: Carsten Eisfeld)
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