Heinz Emigholz: Schindlers Häuser

DVD

2007:Nov // Thomas Wulffen

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11-2007
















Es ist wohl keine Nachricht mehr wert, wenn bildende Künstler zur Kamera greifen. Dennoch hat es Bedeutung in diesen Zeiten, wo die billigsten Ideen, wenn sie nur Material werden, auf merkantiles Interesse stoßen. Ein abschreckendes Beispiel dafür ist der Diamant Schädel von Damien Hirst, dessen Todes-Vanitas in den in Formaldehyd eingelegten Haifischen noch so etwas wie Überzeugungskraft besaß. Der „Schädel“ aber eignet sich hervorragend für die Gesellschaftsspalten der bunten Magazine und findet vielleicht auch Erwähnung auf den Wirtschaftsseiten der „New York Times“. Wer weder in den Spalten noch auf den Seiten auftaucht, kann schon fast behaupten, er lebe im Widerstand. Aber zuerst kommt ja das Werk und dann der Künstler. Und mit den hier vorzustellenden Arbeiten verbindet sich tatsächlich so etwas wie Opposition. 

„Schindlers Häuser“ von Heinz Emigholz ist ein Film, der gleichzeitig auch Fotoalbum ist. Schon der erste Take ist ein Meisterwerk für sich. Er zeigt eine Straßenkreuzung in West Hollywood, einem Stadtteil von Los Angeles. Eine Stimme aus dem Off nennt Zeitpunkt und Ort und erklärt kurz etwas von dem, was der Betrachter sieht. Was er sieht, ist von höchster Komplexität und macht als Bild jedem zeitgenössischem Gemälde Konkurrenz. Der Kommentar erhöht diese Komplexität, weil er zum Beispiel etwas beschreibt, das erst in der Zukunft zu sehen ist. Einerseits fallen wir angesichts dieses Bildes auch auf die eigene Konditionierung durch die Bildwelten Hollywoods herein und sind uns dessen noch nicht einmal bewusst. Andererseits aber ist das Filmbild, das dem Betrachter hier gezeigt wird, auch ein Resultat der Filmkunst Hollywoods und gleichzeitig deren Überschreitung. Diese Überschreitung wird in dem Kommentar deutlich und sie wird im Rest des Films vorgeführt, im doppelten Sinne des Wortes. „Eine Realität, tragisch und komisch zugleich, die alles in den Schatten stellt, was das Ego eines Architekten zu bieten hätte.“ sagt der Kommentar. „Zu sagen, all dies trüge den Namen einer identifizierbaren Gestaltung, wäre ein Witz. Und ein Verbrechen an der Originalität einer gesamtgesellschaftlichen Autorenschaft, die in allen Anwandlungen und Veränderungen anonym bleiben wird.“ 

Was in der Folge zu diesem ersten Take mit der Dauer von zirka drei Minuten zu sehen ist, wird als „Verbrechen“ vorgestellt. Zu sehen sind Ansichten des Außen und des Inneren von vierzig Häusern, die in den Jahren 1921 bis 1952 von dem österreichisch-amerikanischen Architekten Rudolph Schindler erbaut wurden. Schindler war Schüler von Anton Wagner und Adolf Loos und arbeitete für Frank Lloyd Wright, bis er sich 1922 selbstständig machte. Die Ansichten sind fix, aber der Ton der Straße und der Umgebung ist zu hören ebenso wie die Bewegung der Blätter an den Bäumen zu sehen ist. Wie Natur in diese Häuser übergeht, welche Grenze wo gezogen werden, erschließt sich bei diesen schon fast meditativen Sehen wie von selbst.

Diese Erfahrung konnte ich allerdings nur vor dem Fernseher haben, weil das Filmtheater ohne Absprache mit dem Verleih den Film eine Stunde früher starten ließ als auf dem Programmzettel vermerkt war. Die dvd, die von der Filmgalerie 451 angeboten wird, bietet allerdings die Option über das Menü jedes einzelne Gebäude für sich zu betrachten. Anfang Dezember wird Heinz Emigholz im Hamburger Bahnhof eine Ausstellung zeigen, die das bildkünstlerische Werk im Kontext der Filme wahrnehmbar werden lässt. Das mag auch ein Anlass sein, alle anderen Filme zu zeigen und zu sehen. Fast gleichzeitig zu den Dreharbeiten am Schindler-Film hat Heinz Emigholz fast alle noch existierenden Bauten von Adolf Loos gefilmt. Sowohl „Schindlers Häuser“ als auch der Film über Loos gehören zum Zyklus „Photographie und jenseits“, der mittlerweile zwölf Filme umfasst. Der Film zu Schindler trägt den „Untertitel“ „Architektur als Autobiographie“. Aber könnte mit der Autobiographie nicht auch der Regisseur in Anspruch genommen werden? Bei „Sullivan’s Banks“, „Maillart’s Bridges“ und dem preisgekrönten „Goff in the Desert“ sind wir an den Bauten interessiert und deren „Ansichten“ durch Heinz Emigholz.

DVD über Filmgalerie 451 zu beziehen.
Heinz Emigholz: „Schindlers Häuser“ (© Filmstill)
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