Gegen die Klimakatastrophe

Graffiti in Berlin

2007:Nov // Raimar Stange

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11-2007
















Wenn in der Berliner Galerienszene inzwischen schon ausgediente Modeschaffende ach so hübsch anzuschauende Ausstellungen zusammenstellen dürfen (Galerie Arndt & Partner), ein Galerist ein Schicki-Micki-Restaurant eröffnete (Galerie neu) und jetzt Geschmäcklerisches der Marke Nick Mauss in der Galerie zum visuellen Verzehr anbietet, schließlich Jungkuratoren mit der Bebilderung zwar intelligenter, aber brav-belangloser Konzepte „für die Party danach“ reüssieren („Der Droste-Effekt“ in der Galerie Schipper), dann beginnt einen die hiesige Kunstszene wirklich anzuöden. Lichtblick am Horizont ist da derzeit Jonathan Horowitz’ Ausstellung „People like war movies“ in der Galerie Barbara Weiss. Gott sei dank aber tut sich wenigstens was ästhetisch Interessantes auf den Straßen „unserer“ Spreemetropole. Denn dort wird auf unterschiedlichste Art und Weise – das Spektrum reicht von verspielt-poetisch bis zu direkt agitatorisch – gegen die real-existierenden Klima Killer in unserer vor dem Absch(l)uss stehenden Welt engagiert (Graffiti)Sturm gelaufen.  

Da ist, um mit den eher poetischen Beispielen zu beginnen, das blau-weiße Graffiti „Himmel im Bau“ zu entdecken, dessen Text komplettiert ist mit der Abbildung einer Wolke und mit dem Zeichen „Bauarbeiter“, wie wir es von Verkehrsschildern kennen, nun aber hat das Zeichen einen Astronautenhelm auf dem Kopf. Irgendetwas ist eben faul im Himmel über Berlin, die lebenswichtige Ozon-Schicht nämlich wird gerade von uns Menschen verantwortungslos abgebaut. Nicht weit entfernt findet sich im Prenzlauer Berg das „Stencil“ eines Dinosauriers, sinnfällig aufgebracht auf dem Globus in einem Humana-Plakat. Wir erinnern uns: Die „Dinos“ fielen der bisher letzten globalen Klimakastrophe zum Opfer. Neues und Tierisches auch von der Street-Art-Combo „HorseArt“, denn diese haben mit weißer Farbe die Spuren von Hufen auf diversen Straßen in Berlin gemalt – zumindest symbolisch haben die Pferde also den Umweltschädling Auto ein Stück weit vertrieben. Getreu ihrem Motto „Die Spuren sind unendlich“ hatte „HorseArt“ übrigens selbst der  documenta 12 in Kassel ihren ökologischen Huf-Stempel aufgedrückt, und zwar direkt auf der Treppe des altehrwürdigen Fridericianums. Nur auf dem ersten Blick harmlos erscheint ein „tag“, das vor allem in Berlin-Mitte zu sehen ist: Wie die Sprayer sonst ihre selbst gewählten Eigennamen in „tags“ verewigen, so steht da jetzt im selben Stil „Natur“ geschrieben. Das hat sehr wohl eine hintersinnig-kritische Bedeutung, denn dieses Sprayen des Namens bekundet, so schrieb schon der Philosoph Jean Baudrillard in seinem Aufsatz „Kool Killer“ über die Intention dieser „tags“: man drücke aus „ich bin, ich existiere“. Und solch’ eigentlich selbstverständlichen  Feststellungen, dies ist bei dieser Form des Graffiti das Entscheidende, finden eben genau dann statt, wenn sie, im wahrsten Sinne des Wortes, von nöten sind. Sie zeugen nämlich davon, dass man längst droht „von der Stadt aufgerieben“ (Jean Baudrillard) zu werden. Was dann bleibt beschreibt ein weiterers Graffiti wenige Meter entfernt schlicht und einfach mit dem Wort „Stadtfauna“.

Abschließend nun zu einer agitatorischen Variante der gleichsam „grünen“ Graffitis. „Scheiß Uran bleibt in der Erde“ ist da unmissverständlich in der Rykestraße zu lesen, dazu das Zeichen für atomare Strahlung und ein Bagger. Beste Grüße an Vattenfall – und eine energische Warnung an alle, die, wie derzeit skandalöserweise leider nicht unüblich, die desaströse, aber ökonomisch lohnende Nutzung von Kohle- und Atomkraftwerken für ihre eigenen Profite gegenseitig ausspielen wollen!
uran.JPG (© Raimar Stange und von hundert)
hufeisen.JPG (© Raimar Stange und von hundert)
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