Michael Buthe

Thomas Flor

2012:Dec // Gunnar Reski

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12-2012

















Die Farbe lebt von ihrer Kruste
/ Michael Buthe bei Thomas Flor

Für einen viermaligen Documenta-Teilnehmer ist Michael Buthe eher erstaunlich unbekannt heutzutage. Natürlich liegt seine letzte Teilnahme von 1992 inzwischen auch zwanzig Jahre zurück. Bekannt wurde Buthe als Neuentdeckung auf der legendären Ausstellung „When Attitude becomes Form“ von Harald Szeemann, bekanntlich die Ursuppe aller Ausstellungsmacherei im Autorenmodus. Mit fünfzig Jahren 1994 früh verstorben, war Michael Buthe als Zeitgenosse von Polke und Richter auf den ersten Blick einer der wenigen konsequenten und guten Hippiekünstler der BRD. Die Kategorie sollte man aber schleunigst wieder vergessen. Treffender wurde er etwas hilflos zwischen Paul Thek und Beuys positioniert, ohne Theks Morbidität und ohne Beuys’ klerikalen Missionseifer zu bemühen, aber ein leicht spiritistisches Grundverständnis des Künstler als potentieller Druide oder Schamane teilte er mit beiden. Er insistierte freilich auf sein sogenanntes außerweltliches ‚künstlerisches Königreich‘. Seine ätherisch bunt flatterigen Farbigkeiten im Bildraum und aus diesem heraus wehend, stammen maßgeblich von Buthes ausgiebigen Aufenthalten in Nordafrika seit Anfang der siebziger Jahre. Hier muss man aber weniger an August Mackes und Paul Klees Tunisreise denken, sondern Buthes Verarbeitung dieser Einflüsse führt eher zu überraschend eigenständigen Merkwürdigkeiten, ganz ohne annektierten Exotikimport, auch wenn der blümerante, auch gefederte Batikwindelkitsch manchmal zu nerven scheint. Daran ist dann eher die bürokratische BRD-Kifferkultur später schuld. Buthe war einfach ein souveräner Reisender zwischen den Welten. Damals hieß das gegenkulturelle Spurensuche, um die mentale Verwahrlosung der westlichen Welt zu beheben. In den siebziger Jahren war Buthe deutlich bekannter als jemand wie Sigmar Polke.

In der Galerie von Thomas Flor am Mehringdamm, seit dem Sommer neu in Berlin und wahrscheinlich der wirklich letzte Galeriezuzug aus dem Rheinland, waren jetzt großformatige und opulente Bilder aus Michael Buthes Spätwerk zu sehen. Im Gegensatz zu Buthes oft ganzheitlich installativ gedachten Arbeitsweisen zeigt die Ausstellung eher flache Arbeiten, in der zuvor beschriebenes Sendungsbewusstsein weniger zum Schwingen kommt. Ganz ohne Objektcharakter sind jedoch auch zweidimensionale Arbeiten bei Buthe selten. Radikal banal platzierte Alltagsdinglichten unterlaufen allzu viel Esoteriktouch. Man fragt sich nur kurz irritiert, wo kommt denn jetzt dieser Sperrmülleinschlag her. Strohbesen, Kochlöffel, Tannenzapfen, Schneckenhäuser, auch besonders gerne Eierschalen werden souverän in ein Bildgeschehen eingebunden, als wären sie dort aufgewachsen. Ein sehr spezielles Farbhandling sorgt für die Eingemeindung. In der ungewohnten Umgebung führt das zu einer produktiven Entfremdung, die sich in der Totalen dann ungefragt und gekonnt fast zwischen abstrakt und figurativ abspielt. Hier hat jemand perplexe Qualitätskritierien jenseits von extra schlecht oder extra gut entwickelt, eigentlich kaum nachvollziehbar, und oft sehr überzeugend. Buthes Kernkompetenz ist ein sehr allumfassendes Gespür für Farbmaterialität. Die Farbe zeigt hier immer auch ihre Kruste. Pinselspuren kommen gerade nicht vor. Eher wird die Farbe geschüttet oder per Abklatschverfahren auf dem Bildträger angebracht. Von Kompositionen muss man auch nicht wirklich reden. Ohne Zentrum und ohne Hintergrund, aber auch ohne allzu gleichmäßig dezentriertem Allover schweben und kleben vielfältig gelayerte Farbzonen über- und nebeneinander. Besonders abstrus und lustig sind oft jede Menge von charmant ungelenken Punkten, die als finale Schicht wie eine milchige Firniss über dem verwirrenden Bildgeschehen schweben. Oder beim Abklatschen entstandene reliefartige Farbrunzeln werden nochmals ordentlich andersfarbig nachgemalt. Sehr zeitlos und sehr frisch, leider und gottseidank weiß man überhaupt nicht warum.

Michael Buthe, Galerie Thomas Flor, Mehringdamm 34,
10961 Berlin, 22. 9.–21. 12. 2012
Michael Buthe, Ausstellungsansichten, Courtesy Galerie Thomas Flor (© )
Michael Buthe, Ausstellungsansichten, Courtesy Galerie Thomas Flor (© )
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