Andreas Slominski

Galerie Neu

2012:Dec // Susanne Bürner und Heidi Specker

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12-2012

















Wo der Slominski zu Fuß hingeht
/ Andreas Slominski bei NEU

Eine Ausstellung in zwei Teilen.
Im Darm (Erster Akt)
In der Klinik (Zweiter Akt)
Darsteller:Tim und Struppi

Erster Akt
Im Bürotrakt der Galerie Neu hängt eine Wurst an einer Schnur von der Decke und reift vor sich hin.
S  /  Die Assistentin hat aufgeregt erzählt, wie die Wurst anfing zu tropfen. Damit hatte anscheinend erstmal niemand gerechnet. Dabei sollte man denken, dass so ein Ding lebt und sich beim trocknen verändert. Sie wird immer härter.
T  /  Das ist Naturdarm, Wurst aus Werder, bestimmt Bio.
S  /  Ganz schön groß die Wurst, findest Du nicht. Glaubst du das ist Pferd?
T  /  Schwein natürlich. Ist doch dem Menschen am Ähnlichsten.
S  /  Warum baumelt die da eigentlich mitten im Büro? Man hätte die Wurst auch im Ausstellungsraum der Galerie unterbringen können.
T  /  Das Büro ist der Maschinenraum der Galerie, der Nukleus, deshalb hängt sie dort. Im Innersten.
S  /  Sie ist ein freies Assoziationsobjekt und pendelt um ihre Position.
T  /  Bei uns in der Schule gab’s Typen, die haben gesagt 
… einen Neger abseilen, wenn sie aufs Klo gingen.
S  /  Iih, das geht ja gar nicht! Kenn ich auch nicht und ich kann mir auf nicht vorstellen, dass der Slominski das kennt! Oder doch? Bei uns haben wir immer Töpferstube dazu gesagt.

PAUSE

Zweiter Akt
Im Hauptraum sehen wir ein XL Mobilklo. Roter Kunststoff, weißes Dach und völlig entkernt. Alle Innenteile sind an den Wänden in Galerie und Flur verteilt.
S  /  Da haben wir die zerlegte Töpferstube. Das sieht ja aus wie nach einer Explosion, obwohl alles so ordentlich an den Wänden hängt.
T  /  Wie bei einer russischen Puppe oder einem Überraschungsei sind viele kleine Skulpturen aus dem roten Häuschen gekommen.
S  /  Was für eine Entleerung … wie eine Darmspülung beim Arzt, sogar der Kleiderhaken wurde entfernt.
T  /  Also kontrolliert, steril und eher nicht wie der Ausbruch des Donners.
S  /  Ja, das stille Örtchen ist in Wirklichkeit von Oberarzt Slominski klinisch seziert worden. Mir ist das fast zu brutal – wie beim Schlachter.
T  /  Nach getaner Tat. Kein Blutvergießen, kein Dreck und Gestank. Alles ganz sauber hier.
S  /  Tiere sind außerdem hilflos dem Schlachter ausgeliefert. Die sitzen in der Falle.
T  /  Genau wie der Mensch auf dem Klo. Die Hosen sind runter und er kann sich nicht wehren, gegen den Ruf der Natur sowieso nicht.
S  /  Das gilt für uns alle gleichermaßen. Das scheint uns zu verbinden.
T  /  Ecce Homo.
S  /  Ja, Ecce Homo, diesen Chefarztzeigefinger kennen wir ja schon.
T  /  Die Zwillinge.
S  /  Die Zwillinge. Slominski hatte in seiner Ausstellung im MMK einen Geburtstisch, eine blaue Mattenauflage an die Wand gehängt. Wie hier, gleiche Methode. Nur dass der Tisch in Benutzung war. Der Titel der Arbeit nennt die Geburtsdaten.
Valentin, 16. 8. 2006, 14:19 Uhr, 2260 g, 48 cm und Jonathan, 16. 8. 2006, 14:30 Uhr, 2390 g, 45 cm
T  /  Warum hat er kein benutztes Dixiklo ausgestellt?
S  /  Vielleicht zu ekelig? Nee, er möchte die Nähe zu Duchamp.
T  /  Ich frage mich eher warum XL. Ich musste vorhin an den dicken Kanzler Helmut Kohl denken.
S  /  Nun ja, der ist auch ein Mensch. Ecce Homo greift natürlich auf Pontius Pilatus zurück. Ich bin mir nicht sicher ob Slominski katholisch ist oder war. Ecce Homo. An die Wand genagelt und erlöst.
T  /  Wie die sezierten Objekte vor uns?
S  /  Vor Gott sind alle Menschen ursprünglich nackt.
T  /  Die eigene Nackheit ist im Dixiklo ja auch besonders unangenehm.
S  /  Wegen des äußeren Rahmens.
T  /  Die Geburt Jesu war neben Tieren, im Stall, was als Rahmen auch nicht so toll war.
S  /  Und im Stall sind wir hier auch. In der Charité hat sich doch aus der Tiermedizin die Humanmedizin entwickelt. Womit wir wieder im Nebenraum, im Büro der Galerie bei der Wurst wären, bei den großen Geschäften.
T  /  Und eine Geburt ist schließlich eine höchste Not. Das Kind will unbedingt raus.
S  /  Raus ins große Geschäft.
T  /  Nein, als armes Tier.
       
Andreas Slominski „Ecce Homo“, Galerie Neu, 
Phillipstraße  13, 10115 Berlin, 7. 9.–31. 10. 2012
 
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Andreas Slominski, Ausstellungsansichten, Courtesy Galerie Neu, Fotos: Heidi Specker (© )
Andreas Slominski, Ausstellungsansichten, Courtesy Galerie Neu, Fotos: Heidi Specker (© )
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