Reski, ROSTA, Corita

Zwinger, Flor, Circle Culture

2014:Mar // Christoph Bannat

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03-2014
















Hört auf zu malen

Jörg Immendorffs gemalte Tafelbild-Ikone „Hört auf zu malen“ von 1966 hat immer noch Gültigkeit. Sie beschreibt das unendliche Verhältnis von Wort zu Bild (Hans Belting) bzw. von Diskurs und Form (Michel Foucault). Mal ganz einfach; Kunst erzählt davon, dass man Dinge machen kann. Und, nicht nur, dass man sie machen, sondern auch, dass man sie so, also auch anders, machen kann. Und, bestenfalls, dass man sie eben nur so machen kann. Bis jemand kommt und zeigt, dass man es doch anders machen kann. Reski, Rosta und Corita liefern Beispiele für Wort-Bild-Beziehungen. Zeitgleich sind ihre Arbeiten gerade in Berlin zu sehen. Gunter Reski in der Galerie Zwinger, die sogenannten Rosta-Fenster in der Galerie Thomas Flor und Schwester Corita in der Circle Culture Gallery. Reski zeigt einmal mehr verschwurbelte Wort-Gimmicks und Denkkalauer. Majakowki, als prominentestes Beispiel, glänzt mit einer „Rosta“-Serie, als wolle er sich auf den Hausmeisterposten der Oktober- Revolution bewerben (Rosta hieß die Revolutionäre Nachrichtenagentur des jungen Sowjetrusslands bis 1925). Und Schwester Corita sprengt mit Siebdrucken die Grenzen ihres katholischen Ordens. Dafür wurde sie 1968 aus diesem auf den freien Markt katapultiert. Ein Maler und zwei Grafi- ker. Man kann als Wort-Maler nicht ohne eine Form von Ikonoklasmus auskommen, so meine These. Wort und Malerei kommen nur zusammen, wenn sie einander widersprechen, belauern und bedrohen. Cy Twombly, Agnes Martin, Dieter Krieg, Martin Kippenberger waren Maler an der vermaledeiten Wortfront. Jeder mit eigener Chiffrierung. C. Twomblya mit neo-post-kindlichem Gekrakel. A. Martin mit ihrem Mal-Grund-Linien-Problem, Kampf, für eine mögliche Notation. D. Krieg, knietief im Sprachschlamm wühlend. M. Kippenberger, mit hoher Trefferquote, über die Bildbande, im Feld gesellschaftlicher Konventionen.Der einzige Zeitgenosse, Gunter Reski verdreht Text und Bild, gespiegelt und verdeckt, um nichts verbergen zu müssen, so scheint es. Der Pfeil ins denkerische, abgeschossen mit zu wenig Spannkraft. Zweifach gebrochen die Metaphern, dass einem das Lachen im Hals stecken bleibt. Wenn es heißt, dass jeder Zahn seinen Mund haben sollte, kontere ich mit: „Jedes Auge ist für sich verantwortlich“ – einem unerschöpflich großartigen Godard-Satz. Oder auf Reskis „Das Selbst ohne Ich“ mit Arthur Rimbauds Klassiker: „Ich ist ein anderer“. Bewusstsein vs. Bewusstlosigkeit.
Die beiden anderen, der ehemals futuristische Revolutionsliterat Majakowski und die Nonne Corita unterwerfen sich. Er dient der Revolution, sie der Religion. In beiden, Revolution und Religion, gibt es starke psychedelische Momente, in denen Welt und Ich zusammenfallen. Von 1919 bis 22 entstehen im nachrevolutionären Russland Tausende von Schablonen- Schriftbildtafeln. Auch, weil es in der Vielvölker-Union viele Analphabeten gibt. Jetzt hängen sie in der Galerie Thomas Flor, Stück für 6.000 Euro. Eigentlich ein Fall fürs Museum. Und ein Musterbeispiel, wie profane Alltagskultur um die Aufnahme in die heiligen Archive der Kunstwelt bittet. Die Rosta-Agit-Prop-Pappen mit ihren Durchhalte-, Verhaltens- und Feindbestimmungsparolen zeugen von der Anstrengung, die junge Sowjetunion, nach den Revolutionswirren, wieder auf Linie zu bringen. Sie sind, auch heute noch, nur mit viel Humor zu ertragen. Und ein ironischer Überflug über dies Revolutions-Engagement ist dann auch die richtige Antwort.
Bei Schwester Corita führt der Weg der Wertschöpfung über die Heilige Schrift zum Bild, ins Alltagsleben und von diesem ins Museum. Mit 17 Jahren wird Frances Elizabeth Kent (1918–86) Nonne. Fortan heißt sie Schwester Mary Corita Kent. Sie unterrichtet Kunst im katholischen Orden des Immaculate Heart College von Los Angeles. Bis 1968, ein wunderbar psychedelisches Jahr, leitet sie dort die Siebdruckwerkstatt. Grafik, der direkte Verwandte der Schrift. Corita unterwirft sich der Schrift (der Bibel). Wie der späte Majakowski, veröffentlicht auch sie Durchhalteparolen: gegen Hunger, für Liebe und gegen den Vietnam-Krieg. Sie druckt handschriftlich übertragene Texte von Yevgeny Yevtushenko, Jefferson Airplane, Rilke, Grass oder Buber. Poppige Kalendersprüche in Werbeschrifttypo, analog gemorpht und lasierend übereinander gedruckt, im Stil der 60er-Jahre. Immer in der Nähe zum Ornament. Das erleichtert dem Betrachter abzudriften von der sinngebenden Textkonvention (vom Diskurs) hin zur Form. Und das hält die Arbeiten bis heute lebendig. Das Stundenbuch Maria von Burgund, Antonio Basoli oder Erté. Grafik ist das Medium, welches der Schrift am nächsten verwandt ist.
Malerei, so meine These, ist sich selbst zu sehr Ding. Und dieses Ding, das kennt jeder Maler, wird immer auch von seinem Zwischenraum aus gedacht. Im Unterschied zur Schrift. Und da es mehr Dinge als Worte gibt, ist das Problem vorprogrammiert. So steht der Maler eher auf der Ding-Welt-Seite. Und doch: Was zählt, ist der in den Zwischenräumen der Sprache herrschende Anteil des Zufälligen, die Art und Weise, in der es dort, wo es herrscht, entzogen, am Ort seiner dunklen Niederlage aber gerühmt wird (vgl. M. Foucault, „Raymond Roussel“, 1963).
„Glavpolitprovest 213“, May 1921, ROSTA (© Mikhail Cheremnykh)
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