Die leere Mitte

Teil III: Über die Aufsichten in Museen

2019:September // Anna-Lena Wenzel

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09-2019

Die Museen können noch so leer sein – Aufsichten gibt es dort immer. Als häufigem/r Museumsbesucher*in können sie einem, wenn sie einen zurechtweisen, schnell auf die Nerven gehen, schließlich ist man doch Profi und weiß, wie man sich angemessen in einem Museum verhält. Gleichzeitig sind sie diejenigen, die den ganzen Tag mit der Kunst verbringen und daher die eigentlichen Profis. Durch ihre Anzahl, ihre Positionierung, ihre Kleidung und ihre Haltung tragen sie zur Atmosphäre der Häuser bei. Oft nur gering über dem Mindestlohn bezahlt, haben sie keinen einfachen Job, denn sie verbringen Stunden stehend am selben Ort (wenn es nicht eine regelmäßige Rotation gibt) und müssen entweder Präsenz zeigen (um die Besucher*innen von verbotenen Dingen abzuhalten) oder sich so unauffällig wie möglich machen (weil sie nicht von den Kunstwerken ablenken sollen). Eine kleine Kategorisierung derjenigen, die normalerweise nie in den Blick genommen werden:

Die Student*innen
Sie sitzen meist in Alltagskleidung auf einem Hocker und lesen einen Text. Wenn man den Raum betritt, schauen sie kurz auf und widmen sich dann wieder der Lektüre. Einige von ihnen sind vielleicht selber Künstler*innen oder Kurator*innen und wollen durch diesen Job schon mal einen Fuß in die Tür der begehrten Institution bekommen, andere sitzen hier einfach nur ihre Zeit ab.
Anzutreffen: KunstWerke

Die Student*innen II
Sie haben eine Uniform an, die auf modisch macht, und sind über Headset miteinander verkabelt. Sie müssen stehen und Aufmerksamkeit performen. Weil sie ihren Job ernst nehmen, weisen sie einen freundlichen darauf hin, dass man nicht fotografieren darf (und das gemacht Bild doch bitte jetzt sofort löschen soll), oder mal wieder den falschen Eingang genommen hat.
Anzutreffen: Akademie der Künste, HKW

Das Security-Personal
Sie haben eine Uniform an, die Autorität suggerieren soll, aber oftmals nicht gut sitzt. Auch sie sind miteinander verkabelt und man fragt sich, ob sie darüber nur Befehle empfangen oder auch mal miteinander plaudern. Für sie geht die Identifikation mit dem Job gleich null, daher kann es vorkommen, dass man sie mitten in der Ausstellung in intensivem Dialog mit ihrem Handy sieht – trotz Druck von oben. Diese Personen sollte man besser nicht um Rat fragen, ihre Unsicherheit bezüglich der Kunst ist ihnen schon von Weitem anzusehen. Die freundliche Variante von ihnen weist, während sie einen bitten, das Fotografieren zu unterlassen, darauf hin, dass auch sie überwacht werden.
Anzutreffen: Palais Populaire

Die Überqualifizierten
Nach dem Fall der Mauer verloren in der DDR viele Menschen ihre Arbeit, einige fanden eine neue Anstellung als Aufsicht in Museen, verschwinden aber mit dem Erreichen des Rentenalters zusehends von dort. Oftmals schon etwas in die Jahre gekommen, haben sie manchmal eine mobile Sitzgelegenheit dabei. Spricht man sie an, können sie sich als wahre Expert*innen erweisen, es kann jedoch auch passieren, dass man eine etwas flapsige Antwort erhält, vielleicht weil viele von ihnen überqualifiziert für diesen Job sind und – noch in der DDR sozialisiert – die heutige Dienstleistungsüberfreundlichkeit noch nicht in­haliert haben. Eine Variation dieser Kategorie stellen Renter*innen dar, die sich hier ihre dürftige Pension aufbessern.
Anzutreffen: Hamburger Bahnhof, Alte Nationalgalerie