Vanity Fairytales

Wyter, Wyter

2018:März // Elke Bohn

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03-2018


Wyter, Wyter

Manche, und es sind weder die besonders pessimistischen unter den realistischen Satirikern, behaupten, für die 90er sollte gelten, was manche, und es sind weder die besonders optimistischen unter den pragmatischen Vulgärikern, über die legendären Nächte im Studio 54, und wieder andere über die 80er sagen. Oder waren es die 70er? Egal, denn wer sich erinnert, war nicht dabei.
Hin und wieder würden nicht wenige diesen konjunktivistischen Joker gerne ziehen, denn auch in den 90er Jahren des vergangen Jahrhunderts (sic!) war nicht alles Glänzende aus ehrlichem Gold.
Macht aber auch nix, denn – wieder einmal, und das kann und darf und sollte man sagen dürfen, war es die Kunst(welt), die die graugräugräusliche Tristesse überlebenswert machte.
In der damals, um 1996, schon beinahe legendären Galerie CFA begab es sich, dass die garantiert schon legendären Techno-Großkünstler Marusha, Westbam und Sven Väth den ihren Rahmen verließen, um in dem anderen, dem mit der Kunst und den weißen Räumen und so weiter, Kunst zu machen.
Westbam hat Porträts gemalt, eher jedoch angemalt, die er vorher fotografiert hat. Der gängige Tenor war, überwältigend übergreifend, dass die ja richtig gut aussehen. Natürlich offenbarte das, wie viel genau man dem Musiker in diesem doch fachfremden Metier zutraute. Westbams Werke haben einen kleinen Hauch von Close oder bemalter Hanson, doch auch nicht wirklich, eher pragmatischer und weniger vollkommen und es auch gar nicht sein wollend. In etwa war Westbam der Gast, der guten Wein mitbringt, jedoch nicht darüber dozieren will. Sieben Motive aus Westbams Leben, von der Mutter über die Grundschullehrerin, den ersten Produzenten und Freunde und Weggefährtinnen und so und weiter wurden mit Hilfe von Mitarbeitern eines der jetzigen Quasinachbarn der Galerie schön und groß abgezogen und bearbeitet und gerahmt, zuvor jedoch mit filigranen, jedoch keineswegs überschlanken Linien überzogen. Elegant und in einem Fluß, mit sauberem Strich und voller Kraft, fast wie eine gemalte Choreografie.
Marusha hat in einem Berliner Betrieb Tücher weben und sticken lassen, wunderbare Farbwege und klare, beinahe strikt-geometrische Formensprache. Die natürlich obligatorisch sabbelnden Zungen mit den bösen Menschen dran verglichen die Werke mit Geschirrtüchern und machten dann deswegen noch blödere Witze. Das jedoch, um hier kein beleidigtes „aber“ setzen zu wollen, hatte Marusha vorhergesehen. Die Stoffbilder nämlich sind nicht prätentiös gerahmt oder an die Wand gepinnt, sie hat die Dinger schlicht über Haken an der Wand gehängt. Die, die wollten, die konnten die Sache so begreifen.
Sven Väth, der, ja der, der hat beinahe den Vogel abgeschossen. Er hat einen typischen Abend im Tresor, als ob es so was gäbe, in wunderbar drolligen Knetmasse-Menschchen nachempfunden. Herrlich! Geradezu Chapmanesk. Für die Ausstellung hat er eine große Glasvitrine verwendet, in der sonst Eingelegtes im Naturkundemuseum gezeigt wird. Es lassen sich die ganzen Details, und mit ihnen die Sensibilität, mit der Väth erzählt, auf der Eröffnung gar nicht entdecken. Die Szenen an der Bar, die Ekstase auf der Tanzfläche, Konsum und Verzehr auf den Toiletten, der Türsteher als eigentlicher Star und die Schlange derer, die nicht mit dabeisein dürfen sollen.
Als kluger Mix, da läuft der großartig wunderbare Thomas Fehlmann durch die Galerie. Dabei trägt er ein T-Shirt, auf dem steht 90 FOREVER.
Als Pong, als Ausleihe der echten Kunst in die Welt der reinen Musik, legt nach der Eröffnung und also auf der Party, Daniel Richter im Tresor auf. Er ist ja noch so jung und hat vor lauter Aufregung ganz rote Bäckchen. Techno kann er nicht, aber er liefert. Vinyl läuft, klarer Fall, auch schon in den Neunzigern, und so dreht er mit Links Punkplatten, und die und das so schnell, dass es tanzbare Bässe nur so wummert. Auf dem rechten Teller scratcht er Metal, beinahe gesanglich werdend und die Menge kreischend machend. Es klingt nach so viel, dass diejenigen, die noch so was wahrnehmen, vermuten, dass hier Assistenten mit im Spiel und am Werke sind. Doch weit gefehlt, denn in den 90ern hat der Daniel ohne Filter gemalt, geraucht und aufgelegt.
Die Tür an diesem Abend, wenn auch nicht als Bouncer, die hat Rolf Eden mit größter Bravur gemacht. Und fühlte sich dabei sehr sehr jung.
 
Illustration: Andreas Koch