TC McCormack

Nationalmuseum

2018:März // Hannah Beck-Mannagetta

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03-2018

Mise en scène

„The Immense Ventriloquism“ ist die erste Ausstellung, die ich von TC McCormack sehe, gut kenne ich aber einige der Künstler/innen, deren Arbeiten er hier „featured“ und das hat mich neugierig gemacht. Schnell wird beim Betrachten der Schau jedoch klar, dass die Objekte befreundeter KollegInnen, die sich der Londoner Künstler und Kurator für seine Ausstellung im nationalmuseum angeeignet hat, zwar Protagonisten auf einer Bühne sind, aber in der Art der Inszenierung ganz Teil der Installation McCormacks werden.
Die einzige Beleuchtung des dunklen Ausstellungsraumes wird von drei Projektoren erzeugt. Im Zusammenspiel mit Musik durchdringt sie die ganze Szenerie. Die „kuratierte Assemblage“, bestehend aus den Skulpturen und Zeichnungen der anderen KünstlerInnen, ist in Bezug auf die Dimensionen des Raumes vorsätzlich eng auf einem flachen Podest aus weißen Styroporblöcken platziert. Da­runter eine Halbkugel aus Beton, eine Astgabel aus Gips, eine Tonkugel mit Kunststoffnoppen, Papierarbeiten und ein Pendel. Einer der Projektoren strahlt die Arbeiten mit wechselnden Farben und Mustern an, so dass sich deren Formen, Farben und Konturen verändern und mit den projizierten verschwimmen. Für den Betrachter ist es eine Herausforderung, die einzelnen Objekte und ihren Eigencharakter überhaupt zu erkennen, weil diese ständig mit neuen Szenen überblendet werden und zwischen Statik und Bewegung, Zwei- und Dreidimensionalität changieren. Dabei wird ihre Autorschaft aber nicht versteckt, Künstler/innennamen und Werkangaben wie Material, Größe, Titel und Jahr sind einer Liste zu entnehmen. Jedoch werden die neu aktivierten Arbeiten hier vielmehr Teil eines Gesamtkunstwerkes von TC McCormack. Fragmentiert und vom Auge des Betrachters immer wieder neu zusammengesetzt, reflektieren sie auf diese Weise den konkreten Raum bzw. die Idee des Ausstellungsraumes als neutralem „White Cube“, das auf einem Sockel einzeln auratisch präsentierte Kunstwerk und das Prinzip des Kuratierens als Zusammenstellung von Arbeiten verschiedener Künst­lerInnen und deren Inszenierung im Raum als Prozess.
Hinter dem Podest hängen drei transparente Vorhänge leicht im Raum versetzt. Diese sind mit einem Muster von weißen, organisch geformten Strichen bedruckt und fungieren selbst als Projektionsfläche, lassen aber auch den Blick auf den über Eck als Diptychon gezeigten Film des Künstlers dahinter frei. In der Doppelprojektion ­wechseln sich konkretere und abstrakte digitale wie analoge Objekte und Formen, sowie Textfragmente in einer Diashow ab und werden von Musik untermalt. Es handelt sich um Schlüsselbilder und Strukturformen der Moderne und Postmoderne – aus Architektur, Design und Natur. Einige dieser Motive, die der Künstler aber auch noch weiter verändert hat, wurden entworfen, um die Fähigkeit der Autofokus-Technologie in Digitalkameras zu stören, andere verbergen die prototypische Form von Produkten wie Autos und Flugzeugen. Formal wirken insbesondere die Farben und Muster, die in den Projektionen auftauchen, den 1980er- und frühen 1990er-Jahren entsprungen. Auch die Soundcollage hinterlässt ein nostalgisches Gefühl. Diese setzt sich aus unkonkreten Straßen- und Naturgeräuschen, komponierten Elementen, die an Hawaiianische Gitarrenmusik erinnern, sowie Fragmenten aus Popsongs zusammen.
Soundcollage und Doppelprojektion können als eine Art Gedicht mit komplexen, fragmentarischen Bildsequenzen, textlicher Phrasierung und einer rhythmischen Struktur verstanden werden. Wiederholt tauchen hier spekulative Paarungen auf, die sich widersprechende Dialoge produzieren. Diese kurbeln unser ästhetisches und kulturelles Gedächtnis an und wecken immer wieder neue Assoziationen, lassen den Betrachter den Sinn der Zusammenstellung jedoch nie ganz erfassen.
Der Titel des Film-Diptychons und der Ausstellung „The Immense Ventriloquism“ spielt einerseits auf das Irritationsmoment an, als Betrachter nicht mehr genau zu wissen, aus welcher Richtung die vielen Eindrücke und die verschiedenen Bilder kommen und woher diese einem diffus bekannt vorkommen. Anderseits verweist er darauf, dass TC McCormack die Bilder und Objekte als Regisseur und Kurator animiert und ihnen eine neue Stimme in einem „immensen“ Gesamtkunstwerk verleiht.
Am Ende hat man nicht das bekommen, was man vielleicht erwartet hat, keine Gruppenausstellung, aber auch kein klar definiertes Einzelwerk, sondern ein hinterfragendes Spiel von Harmonie und Disharmonie, eine kryptische, aber durchaus faszinierende Mise-en-scène.
Der Kunstraum nationalmuseum wurde 2008 von Raaf van der Sman gegründet. Mit Unterbrechungen im Jahr 2010 und von 2012 bis 2015 lädt er seither jährlich mehrere KünstlerInnen ein, dort eine Einzelausstellung und selten eine Gruppenausstellung zu zeigen.


TC McCormack, „The Immense Ventriloquism“, 2.12–31.12.2017
(Featuring works by Matthew Burbidge, Ingo Gerken,
Sonja Burbidge, Marie von Heyl, Wolf van Kries,
Michael Schultze, Lea Torp Nielsen, Oliver Zwink)
nationalmuseum, Urbanstraße 100, 1.Hinterhof links,
4.OG, 10967 Berlin
http://www.thenationalmuseum.de,
http://www.tcmccormack.co.uk/

 
TCMcCormack „The Immense Ventriloquism“, 2017, Courtesy nationalmuseum