Daniel Spoerri

Il giardino, Seggiano

2018:Dezember // Kerstin Weßlau

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12-2018

Wünsche im Paradies

Wenn Daniel Spoerri (*1930 in Galati, Rumänien) mit mir in seinem Studio im „Il Giardino“, Seggiano aus realer Erfahrung und persönlicher Kenntnis der TeilnehmerInnen über die nah-ferne Kunstgeschichte spricht, ist das, wie in Gedichten zu verstorbenen Dichtern sprechen: sehr berührend, aber man kann sich nie ganz sicher sein, ob die Verbindung durch das Medium funktioniert oder ob überhaupt jemals etwas ankommt. Spätestens als Duchamps Fertigkeiten im Schachspiel zur Sprache kommen und Meret Oppenheims Name fällt, fange ich an zu realisieren, wie bedeutsam mir die Begegnung mit diesem Künstler ist, der trotz seines Alters unglaublich geistig beweglich und neugierig auf die Welt ist.
Wohl auch aus diesem Grund werden von der Stiftung „Il Giardino di Daniel Spoerri – Hic Terminus Haeret“ Workshops initiiert. Verantwortlich für die Organisation des interdisziplinären Austausches zwischen KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen aus Geistes- und Wirtschaftswissenschaft sind die Präsidentin der Stiftung, Barbara Räderscheidt und ihre Stellvertreterin, Susanne Neumann, beide jahrzehntelange Mitarbeiterinnen von Daniel Spoerri und ebenso freiberuflich künstlerisch aktiv.
Mit dem Il Giardino (in alten Karten auch als Paradies bezeichnet) in Seggiano in Italien hat Daniel Spoerri mit engagierten UnterstützerInnen einen Landschaftsgarten mit inzwischen 113 Skulpturen und Plastiken, vielen Olivenbäumen und dem Restaurant „Non Solo EAT ARTs…“ gestaltet, das Gesamtkunstwerk und zugleich Arbeits- und Wohnort ist. So sind u.a. Werke von Graziano Pompili, Dani Karavan, Eva Aeppli, Nam June Paik und natürlich Daniel Spoerri zu erleben und immer wieder neu in der Verbindung mit den benachbarten Kunstwerken wie auch der toskanischen Kulturlandschaft zu entdecken.
Eine sehr intensive Woche lang wurden dort vom 19. bis 26. September am Vormittag meist in englischer Sprache inspirierende Vorlesungen über Philosophie, Religion, Biologie und Kunstwissenschaft gehalten. Der Olivenbaum wurde von Dr. Heike Baranzke im Kontext zur Kunst-und Kulturgeschichte beleuchtet. Eine Forschungsarbeit des International Laboratory of Plant Neurobiology (LINV) um Prof. Stefano Mancuso, ein Olivenbaum mit freischwebendes Wurzelwerk in einer Zisterne, wurde besichtigt. Prof. Hans Werner Ingensiep, Philosoph, Biologe und Autor relevanter Bücher zum Thema bereicherte die Diskussionen durch seine Vorlesung zur Evolution des Menschen in Bezug zu seiner Ernährung, des Weiteren mit seinen philosophischen Ausführungen zum Thema Wunderkammer, das Daniel Spoerri mit einer Vorstellung von ausgesuchten Dingen aus dem Atelier und seinen Sammlungskriterien präzisierte und Dott.ssa Cristina Favretto mit ihren Ausführungen zur Wunderkammer und der Arbeit des LINV ergänzte. Kunstgeschichtliche Hintergründe zu den Kunstwerken des Il Giardionos ergaben sich durch gemeinsame Spaziergänge mit Daniel Spoerri, Barbara Räderscheidt und Susanne Neuman. Es wurden von sechs Künstlerinnen, drei Wissenschaftlern und den zwei Organisatorinnen Gespräche geführt, gedacht, gezeichnet, gemalt, installiert, collagiert, gesammelt, gefilmt, fotografiert, gebaut, belichtet und Yoga in der Arbeit „Der Nabel der Welt“ von D. Spoerri performt. Den Abschluss bildete eine kleine, feine Ausstellung mit der Präsentation entstandener Werke – ähnlich einem Rundgang in der Kunsthochschule – sowie ein gemeinsam zubereitetes Essen mit Kräutern und Früchten des Gartens. Projekte, Ideen und Vorträge folgen.
Daniel Spoerri beteiligte sich bei der Vormittagsreihe und nutze die Zeit am Nachmittag zum Arbeiten in seinem Atelier, das den Arbeitsräumen der TeilnehmerInnen gegenüber lag. Das Mittagessen wurde täglich mit sich wechselnder Sitzordnung und anregenden Gesprächen zelebriert. Jede Teilnehmerin hatte die Möglichkeit, sich und ihre Arbeit nach Absprache in einem Einzelgespräch bei ihm vorzustellen und mit ihm zu diskutieren. Er redet und reflektiert meist gern über seine Erfahrungen, ist aber auch ein wissbegieriger Zuhörer und genauer Beobachter, von dem man einiges über die Kunst der Unbedingtheit, groß zu denken und zu wünschen, lernen kann.

2.
2.1.
Near olive trees
Wondering, wandering,
eating and digest
with scientific interest.

Working, dreaming,
magical ivory and bell,
far well the hell.

Whispering, singing,
sunny blue rain,
shadowy brain drain.

2.2.
Idea for the paradise
Adam and Eva
as a two-gold-stem-tree,
much brass, percussion and seeds.
Where your wanting meets
all the planets and the stars
with frosty faces
looking down to the garden
with empty rooms and…
one could dig deep
letter boxes of thanksgiving
to go through while
praising creation.

2.3.
Wish
I wish you:
things to come,
things to go,
things to eat,
things to flow,
things to think,
things to use,
and things to amuse…

3.
Montag, 25. 6. 2018
Kerstin Weßlau / Der Name des Workshops Want III bezieht sich auf eine Abkürzung von „Workshop on Art, Nature and Technology III“, bedeutet zugleich aber auch „möchten“ oder „wünschen“. Was möchten Sie, Herr Spoerri? Was wünschen Sie noch zu erledigen? Was sagen Sie bei drei freien Wünschen?
Daniel Spoerri / Ich möchte einen Ort für eine neue Arbeit von mir im Il Giardino finden. Sie lehnt momentan an der Mauer vor dem Restaurant. Es handelt sich um Bronze-Abgüsse eines ausgegrabenen Banketts, das 1983 stattgefunden hat. Es ist eine neuzeitliche archäologische Arbeit. Die Bronze-Tafeln sollten ganz leicht erhöht und abgeschrägt stehen. Ansonsten habe ich alles gemacht, was ich wollte und ich muss nichts mehr erledigen oder mir beweisen. In Wien mache ich jeden Tag ein kleines Bild, immer im gleichen Format – aus Langeweile.
Weßlau / Wollen Sie noch weitere Arbeiten im Il Giardino aufstellen lassen?
Spoerri / Wir haben anfangs gesagt, dreißig Arbeiten, dann reicht es, aber es sind immer mehr geworden. Jetzt sind es 113 Kunstwerke von über 50 verschiedenen Künstlern und ein einziger Tag reicht kaum aus, um sie alle zu sehen. Es ist auch schon ein bisschen wie ein Friedhof. Fünfzig Prozent der Künstler, die im Il Giardino vertreten sind, sind schon tot.
Ich habe mich jetzt mit Yoko Onos Arbeit beschäftigt, die uns für ein Jahr ein Schachspiel geliehen hat. Alle Figuren sind weiß; das heißt es gibt keine Gegner und damit keinen Krieg. Yoko Ono möchte nicht, dass das Werk dauerhaft am selben Ort steht. Deshalb sollen wir es am Ende des Jahres zerstören. Ich möchte sie jetzt fragen, ob wir das Kunstwerk immer einmal im Jahr an einen anderen Ort im Il Giardino bewegen dürfen. Immer zu Ostern würde dann für ein Jahr ein neuer Standort gewählt werden.


 
Daniel Spoerri, Not vital – Daniel Nijinsky Superstar, 1997, Kunstharz, Foto: Kerstin Weßlau
Studio Daniel Spoerri, Il Giardino, 2018, Foto: Kerstin Weßlau
Barbara Räderschmidt und Daniel Spoerri, Foto: Kerstin Weßlau