Wem gehört die Stadt

2018:Dezember // Frieda Grimm

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12-2018



Initiativen wie „Deutsche Wohnen und Co. enteignen“ sind mutige neue Ansätze der Stadtpolitik. Sie trauen sich, neue Begriffe zu etablieren und bisherige Grundsätze der Immobilienentwicklung in Frage zu stellen. Eigentum und Entscheidungsmacht über Grund und Boden und die sich darauf befindenden Immobilien soll neu hinterfragt werden.
Mit ganz unterschiedlichen Mitteln arbeiten im Moment diverse Gruppen daran, das „Recht auf Stadt“ durchzusetzen und den städtischen Raum nicht „kampflos“ den Reichen zu überlassen. Dabei ist der Begriff „Kampf“ keineswegs übertrieben. Häufig bleibt den Aktivist*innen nur die direkte Offensive, um sich bei der Politik Gehör zu verschaffen. Noch sind fast keine Strukturen vorhanden, die ein Einmischen auf anderem Wege möglich machen. Wichtig wären hierbei vor allem verbindliche Zusagen von Seiten der Politik. Nur so lässt sich verhindern, dass jahrelange Arbeit von Aktivist*innen nicht jederzeit von Politiker*innen übergangen werden kann, wie es kürzlich beim Projekt „PS Wedding“ und deren Konzept für das ehemalige Diesterweg-Gymnasium der Fall war.*
Die Initiativen werden immer diverser. Aus unterschiedlichen Anlässen bilden sich immer neue Gruppen. Einige entstehen aus einer lokalen Nähe. Andere wollen konkrete Bauvorhaben verhindern oder schließen sich zusammen, da sie bestimmte Ideen für eine Fläche/Gebäude haben. Verhältnismäßig neu aber sind kiezübergreifende Verbindungen von Mieter*innen der selben Eigentümer*innen. Außerdem gibt es Gruppen, die sich durch ihre Aktionsform zusammenschließen.
Ein Versuch, diese vielfältigen stadtpolitischen Akteure in die Öffentlichkeit zu bringen, war das im Oktober stattfindende Festival „urbanize!“ Das urbanize! ist ein „internationales Festival für urbane Erkundungen in Berlin (…)“. Es soll eine Vernetzungs-, Theorie- und Praxisplattform sein. Dabei fand über zehn Tage eine Vielzahl von Veranstaltungen rund um das Thema „Recht auf Stadt“ in ganz Berlin statt. Es wurden Konzepte zu alternativen Eigentumsstrukturen wie der „CLT – community land trust“ vorgestellt. Ein Konzept, das losgelöst vom Markt gemeinwohlorientierte Immobilienentwicklung möglich machen soll. Andere Veranstaltungen thematisierten Fragen nach Beteiligungsstrukturen in der Politik sowie in kommunal verwalteten Immobilien. Ein großer Fokus lag also auf Theorie. Was das Festival so schaffte, ist die Vernetzung der Aktivist*innen, und vereinzelt taten sich Gelegenheiten auf, mit Politik und Verwaltung in Kontakt zu kommen. Was das Festival nicht konnte, war die große Öffentlichkeit zu erreichen und so neue Menschen zu mobilisieren. Die Inhalte sind komplex und häufig wird bei den Vorträgen auf Begrifflichkeiten zurückgegriffen, die Vorwissen voraussetzen. Das große Mobilisierungspotenzial der Stadtpolitik ist aber eben nicht nur die Diskussion, sondern auch die Aktion und dieses Potenzial wurde beim Festival nicht annähernd ausgeschöpft. So wurde es zu einem Festival von stadtpolitischen Initiativen für stadtpolitische Initiativen, bei dem es nicht verwunderlich war, die gleichen Gesichter immer wieder zu sehen, mal auf den Podium, mal als Moderation oder im Publikum. Aber wenn eine große stadtpolitische Bewegung entstehen soll, müssen sich noch mehr Menschen angesprochen fühlen. Unterschiedliche Protestformen müssen sich ergänzen. Nur so kann ein vollwertiger Protest entstehen.
Protest ist erfolgreich, wenn er breit und vielfältig aufgestellt ist, das hat sich bei der Kapitulation Googles vor den Protesten zur Eröffnung des geplanten Campus in Kreuzberg gezeigt. Ein Erfolg, der nicht auf eine einzelne Gruppe zurückzuführen ist, sondern genau durch seine Vielfalt an Akteur*innen an Macht gewinnt. Mehr als sieben zivilgesellschaftliche Gruppen, sowie einzelne Aktivist*innen haben sich in zahlreichen Aktionen gegen den Campus gestellt. Neben niedrigschwelligen Protestformen aus der Nachbarschaft, wie Lärmdemos und Anti-Google-Cafés, haben Aktivist*innen durch eine Besetzung gezeigt, dass sie nicht mit dem Projekt einverstanden sind. Dieser Protest ist vor allem eins: unberechenbar. Und er kommt von allen Seiten. So muss es weitergehen. Die stadtpolitischen Akteur*innen müssen immer lauter werden!

*Anm. der Redaktion:
„ps wedding“ plante Umbau und Erhalt des in den Siebziger Jahren erbauten Schulgebäudes inmitten des Brunnenviertels im Wedding , die BVV-Mitte beschloss auf Antrag der SPD den Abriss. Das Konzept von „ps wedding“ war dem des Haus der Statistik (siehe Seite 48) ähnlich, die Kooperationspartner dort sind hier jedoch die Abreißer.
Illustration: Andreas Koch