Vanity Fairytales

Immobilia Präkaria

2018:Dezember // Elke Bohn

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12-2018

Immobilia Präkaria


Viel ist ja nicht mehr übrig, das über Berlin und seine Immobilien noch nicht gesagt worden wäre.
Dass über Jahre in jedem Billigflieger ein Rudel triefender Investorenmonster saß, das sich noch vor dem quicken Businesslunch ganze Häuserblöcke zum Schnäppchenpreis einverleibte.
Dass Berlin vielleicht nicht die Museen hat wie London oder Paris oder Madrid oder New York oder wie auch immer, dafür aber die höchste Steigerung seiner Immobilienpreise. Da muss sich sogar das dicht bepackte Hong Kong hinten anstellen.
Dass selbst die Weitestgereisten irgendwann diese saudummen blauen Fliesenstreifen vermissen, die in klein auf großem Weiß, changiert irgendwo zwischen Witz – ungefähr so sehr saudumm wie die blauen Fliesenstreifen selbst – und sehnsüchtiger Wahrheit.
Und ob die Museumsinsel vielleicht doch fertig wird, bevor die am Tag des Spatenstichs Geborenen ihrerseits wieder Eltern werden, werden wir ja noch sehen.
Sind Museen eigentlich auch Immobilien? Theoretisch und juristisch und medial-ideell sicherlich, vor allem und möglicherweise besonders die, die solchen gehören, die nicht alle sind und die sicher auch den ihren Teil, wenn nicht gar den mindestens größeren, mit und durch andere gewannen und dessen daher allen gehören sollte, wenn nicht müsste, es aber nicht immer und hin und wieder niemals so ist.
Ist Berlin denn eigentlich auch eine Metropole? Molochige Ecken, na ja, die gibt es in jedem Siffkaff. Kaffee- und Turnschuhläden ja eigentlich irgendwie ja auch. Doch dieses blöde Geplänkel machte ja noch keine Metropole. Die vielen Galerien, Moment, sind es denn viele? Mehrere Hundert, die sollen es ja sein, doch das ist entweder ein Irrtum der Gelben Seiten oder von bekifften SachbearbeiterInnen im Gewerbeanmeldeamt. Bei denen, die gute und langfristige Arbeit leisten, da wird die Luft schon wieder dünn, hin und wieder auch dünner und daher machen nicht immer die zu, die keiner braucht. Klingt brutal, stimmt leider trotzdem.
Wieder sind es die Weitgereisten, die gerne dozieren, eine Metropole sei, dass in den siffigen Molochecken eben erst die Penner wohnen und dann ein paar Kunststudenten kommen. Dann ziehen die Cafés nach und kurz nach denen die Werberagenturen. Dann kommen die Volvos, andererorts die anderen Kombis, und die Sache ist vorbei. Bis der Tross eben weiterzieht. Was verachtend klingen kann, ist – leider – nicht ganz falsch. Wer glaubt, dass der frisch aufgebrühte Soja-Chai-Latte im kompostierbaren Kalkbecher mit rezikliertem Bakelitdeckel von fröhlichen MitarbeiterInnen seine Zubereitung erfährt, die sich schon auf den Feierabend in der geräumig wie schnuckelig renovierten Altbauwohnung mit den ach so schön hohen Decken freuen, fußläufig zum sorgenden Arbeitgeber mit Sozialleistungen und Festanstellung, der oder die interessiert sich schlicht für zu wenig. Punkt. Nach dieser Definition ist Berlin mit Sicherheit eine Metropole. Stolz muss darauf aber niemand sein. Das ist einfach so passiert.
Mit voller Absicht allerdings wurde und wird in Berlin verhunzt, was verhunzt werden konnte. Fast.
Welche Stadt, oder meinetwegen welche Metropole, hatte die Chance, die Berlin hatte. Ja klar, nach der Wiedervereinigung. So viel Platz, so viel unterschiedliche immobile Sprache, die sich in Ruhe hatte entwickeln können? Na? Eben, so gut wie keine. Und was passiert?
Im Traum haben die größten lebenden Architekten gebaut, etwas Einzigartiges aufgenommen und geschaffen und geprägt. Wurden die Unterschiede zwischen Ost und West entwickelt und akzeptiert. Wurden die Baulücken und ihre geschichtliche Genese reflektiert und lebenswerter Raum entstand. Wie es sich anfühlt, aus solch einem Traum aufzuwachen und in Berlin vor die Tür zu gehen, ist – leider– kein Geheimnis mehr.
Was das, besonders der Teil mit den weltweit am schnellsten steigenden Preisen (momentan, denn hier ist die ganze Welt eine Metropole) bedeutet, für künstlerische Produktionsbedingungen, für Familien, für alle und jeden, die nicht nur beim Anlageberater ihre Exitstrategie bedenken, ist zu ernst für den nächsten dummen Witz.
Den machen wir lieber über und gerne auch auf Kosten von Nicolas Berggruen. Der ist eh doof und macht sich auch nichts aus Wohnungen. Immobilien hat er zwar so viele, wie andere Semmelbrösel, doch wohnt er nicht. Er ist der Hai gewordene Gegenentwurf zum beinahe berühmtesten Satz unserer schwedischen Freunde von Ikea, der die Unterschiede zwischen Wohnen und Leben thematisiert und damit – wenngleich und möglicherweise ungewollt – in erschreckendem Maße aktueller ist denn je. Nicolas ist entweder in der Luft oder im Hotel oder in einer Besprechung oder unterzeichnet Verträge oder segnet Entscheidungen seiner Entscheidungsträger ab. Wo wir beim Punkt sind, an dem man gemeinhin sagt, genau hier liegt das Problem. Wer im Privatjet Realität wahrnimmt, ist entweder ein Genie – was wir hier sicher ausschließen können sollten – oder im Wortsinne drüber. Die wuselig-schleimige Entourage des findig-windigen Investoren senzt sich mit scharfer Klinge durch die Realitäten vieler und schert sich nicht. Sharing ist Caring wird hier zu Schering is Kering, was auch wieder falsch ist und ein schlechter Witz obendrein. Berggruen denkt sogar beim Kacken ans Geschäft. Kein Witz. Als er Durchfall hatte, wollte er Rabatt vom Hersteller des Toilettenpapiers. Mengenrabatt. Der bot an, er könne ja investieren. Scheiße gäbe es schließlich immer.
Gerüchte behaupten, dieser damalige Gesprächspartner war Friedrich Merz, der ja als Aufsichtsrat viel über Klopapier in Erfahrung hat bringen können.
Merz bot Berggruen wohl auch an, ihn im eigenen kleinen Flugzeug mitzunehmen. Der Nicolas hat abgelehnt. Er wusste nicht, wohin er wollte.
Foto: Montage von hundert