Uferhallen

Ein Gespräch mit Peter Dobroschke und Heiner Franzen

2018:Dezember // Barbara Buchmaier

Startseite > 12-2018 > Uferhallen

12-2018

Über die aktuelle Situation der Mieter*innen der Berliner Uferhallen

Barbara Buchmaier / Peter und Heiner, ihr seid beide bildende Künstler und lebt schon länger in Berlin. Wann seid ihr mit euren Studios als Mieter in die Uferhallen gezogen? Und wie war damals die Situation vor Ort?
Peter Dobroschke / Ich habe seit Sommer 2010 ein Atelier auf dem Gelände. Zu dieser Zeit war es hier noch deutlich ruhiger und im Café vorne gab’s eher nur das Notwürstchen aus dem Wasserkocher.
Heiner Franzen/ Ich bin Anfang 2008 auf das Gelände gekommen. Zu dem Zeitpunkt gab es noch viele freie Räume. Die neuen Mieter übernahmen einen Teil der Einbauten, dafür gab es im Gegenzug günstige Verträge.
Buchmaier / Was muss man sich unter der 2008 gegründeten „Uferhallen AG“ vorstellen, die damals wie heute immer noch das Geschäftsmodell der Eigentümer ist. Welche Bestandteile (Grundstücke und Häuser) gehören dazu? Wer waren und wer sind die wesentlichen rechtlichen Vertreter dieser AG?
Dobroschke / Ich denke, es handelte sich um eine klassisch strategische Form einer Anlage. Man war sich sicher des Potentials des Areals bewusst und gründete die AG zum Erwerb der Grundstücke Uferstraße 8–11 sowie Uferstraße 23. Hauptzweck der Gesellschaft war es von Anfang an, die Kunst und die Kultur zu fördern und die vorhandenen Räumlichkeiten an Künstler*innen als Atelierräume langfristig preisgünstig zu vermieten.
Was davon übrigblieb, lässt sich beim Wechsel zahlreicher Vorstände im Verlauf der vergangenen zehn Jahre schwer überblicken. Dies scheint ja oft auch Sinn und Zweck solcher Strukturen. Man sieht, dass sich die Uferhallen AG in zahlreiche Tochterstrukturen aufteilte und dass bei der Struktur der neuen Eigentümer auch flexible Wechsel (z.B. der Vorstände) und verzweigte Firmengeflechte für Undurchschaubarkeit sorgen.
Zu dem Paket der Uferhallen AG, dessen Hauptanteil von 96 % im Kleinklein hinter verschlossenen Türen im Oktober 2017 von den damaligen Hauptaktionären an die neuen Hauptaktionäre ArgoPrato und ArvantisPrato überging, gehörten unseres Wissens nach der Grund (mit Erbpachtvertrag) der Uferstudios sowie die Uferhallen jenseits der Panke-Insel – sprich die große Haupthalle (die Ausstellungshalle, die zur Zeit noch von Adidas genutzt wird) mit den umliegenden Seitengebäuden (vornehmlich Ateliers und Kleingewerbe), das benachbarte Wohnhaus in der Uferstraße 7 sowie zwei Immobilien in der Tucholskystraße in Mitte.
Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse stellen diese Hauptaktionäre die neuen Vorstände und haben bei Entscheidungen gleich die absolute Mehrheit.
Die neuen Vorstände waren zunächst Herr Jeremias Heinrich und Herr Stefan Lensche. Durch Zufall erfuhren wir bei einem Treffen im Sommer 2018, dass inzwischen Herr Felix Fessard (auch tätig für die Augustus Capital) Herrn Lensche abgelöst hat. Die Aktionäre wurden hierüber nicht informiert.
Die Vorstände beziehungsweise deren Sacharbeiterin (für die Uferhallen Frau Mareike Ladusch) wurden uns Mietern als Ansprechpartner genannt.
Buchmaier / Wie/wann bzw. durch wen kam eurer Kenntnis nach die Idee der „Kunstaktien“ auf?
Franzen / Irgendwann 2009 begann unser Vermieter Hans-Martin Schmidt, mit uns dieses Projekt zu diskutieren. Sein Ziel war ja von Anfang an die Installation eines nachhaltigen Ateliergeländes. Er musste allerdings seinen Co-Investor Friedrich Orth, der die Mehrheit der damaligen Anteile hielt, von der Idee der Kunstaktien überzeugen, also die jeweiligen Aktienmehrheiten durch Verkäufe solange zu teilen, bis eine Publikumsgesellschaft entsteht.
Buchmaier / Wie kam diese Idee damals bei den Mietern an? Mit welchem Gefühl hat man als Künstler solche Aktien gestaltet bzw. „besessen“? Wie viel Geld waren die Aktien damals wert? Und welchen Wert haben Sie heute?
Dobroschke / Die Grundidee klang gut, die Idee eines Atelierhofes im Streubesitz mit zu entwickeln. Die Herausforderung, das eigene künstlerische Blatt mit diesem eigenwilligen Format eines klassisch bis historischen Wertpapier zu koppeln, fand ich interessant. Es fühlte sich gut an, einen symbolischen Teil seiner Arbeitsstätte im Kollektiv mit zu besitzen. Keiner ahnte, dass die Streuung so schnell eingedämmt würde und zehn Jahre später ein aktiver und an Penetranz schwer zu überbietender Rückkauf mal einen Wert von 9.000 Euro erreichen würde.
Ich fand es damals schwer, neue Aktionäre zu werben – bei 1.500 € Kaufpreis als Experiment für einen kulturpolitisch guten Zweck. Da brauchte man schon die spezielle Kombination aus monetär flüssigen sowie idealistisch uns sehr wohlgesinnten Freunden.
Franzen / Das Projekt schien den Versuch wert, auch wenn uns für irgendwelche Prognosen das Beispiel für so eine Künstleraktie fehlte. Der Start war vielversprechend. Friedrich Orth und Hans-Martin Schmidt organisierten Ausstellung, Dokumentation, Website und die Verkäufe der Hauptaktien. Aber es gab vermehrt Zoff zwischen Schmidt und Orth, und Hans-Martin verlor an Einfluss. Seinen Anteil gab er schließlich an neue Käufer ab. Und die haben die Idee der Publikumsaktie irgendwo zwischen Erwerb und Weiterverkauf vergessen.
Buchmaier / Welche Rolle spielen die „Kunstaktien“ seit dem Verkauf?
Dobroschke / Wir konnten mithilfe der Aktien den Urgedanken der Uferhallen als Publikumsgesellschaft vor dem Eigentümer, aber auch vor der Politik mit diesem Blatt klarer formulieren. Ebenso konnten wir als geladene Aktionäre bei den Hauptversammlungen durch unseren Auskunftsanspruch Informationen von den neuen Eigentümern leichter erfragen sowie die Unklarheiten zu unserer Zukunft in den Hallen direkt vor allen Vorständen und Aufsichtsräten äußern.
Franzen / Das Prädikat der Kunstaktien hat sich nicht geändert: Bezahlbare Mieten auf einem auf Dauer angelegten Atelier- und Werkstattgelände. So verhandelt das auch die Stadt, die inzwischen Minderheitsaktionär an der AG ist – dazu später mehr. Die neuen Besitzer werden sich einstweilen hüten, diese Intention in Frage zu stellen.
Buchmaier / Wie habt ihr von dem Verkauf der Uferhallen im vergangenen Sommer erfahren und was waren Eure ersten Gedanken dazu?
Dobroschke / Ich habe schon früher davon Wind bekommen und sofort gedacht, dass es um Schnelligkeit geht beim Kontaktieren der Politik sowie um Öffentlichkeit für die Thematik. Parallel haben Kollegen versucht, über einen Draht direkt Verbindung zu den alten Hauptaktionären aufzubauen. Es waren anfangs noch keine konkreten Käufer genannt, aber man ahnte schon, was kommen könnte. In Abständen fuhren immer wieder klassische Investoren-Karren auf den Hof, was natürlich immer wieder für große Unruhe sorgte.
Wir haben schnell Verbindung zum Bezirk sowie zum Senat und BBK aufgenommen; es gab ein Angebot von Seiten der Stadt, das Gelände zu kaufen; die Schweizer Edith-Maryon-Stiftung interessierte sich ernsthaft für den Hof … wir können allerdings nicht abschließend beurteilen, ob diese Angebote vom vorherigen Vorstand Weber in die Runde der ehemaligen Hauptaktionäre getragen wurden. Herr Orth, einer der früheren Hauptaktionäre behauptete in der Aktionärssitzung im Oktober 2018, dass außerhalb der jetzigen Neuaktionäre mit keinem weiteren Interessenten verhandelt wurde. Wir wissen, dass der Senat und dass Herr Langscheid von der Stiftung Edith-Maryon offen für Gespräche waren … lassen wir das mal so stehen.
Buchmaier / Spätestens seit dem Verkauf seid ihr beide als Künstler zu Sprechern für die gesamte Mieterschaft, geworden, im Sinne einer Verteidigung der Interessen der Mieter und auch als Kommunikatoren mit den neuen Eigentümer, den Vertretern des Senats und der Presse. Welche Motivation treibt euch an und wie schafft Ihr es, neben eurer sonstigen Arbeit die Zeit und Energie für diese wichtige Aufgabe aufzubringen bzw. zur Verfügung zu stellen?
Dobroschke / Das ist eine berechtigte Frage. Zunächst möchte ich aber ergänzen, dass wir mehr als zwei Sprecher sind. Es gibt neben uns noch eine Handvoll engagierter Kollegen.
Zur Motivation: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Vertretbarkeit Berliner Immobilienpolitik längst überschritten ist: Während überdimensionalen Investoren weiter freie Laufbahn gewährt wird, ploppt (in diesem Fall) den ansässigen Kultur- und Gewerbeschaffenden der Boden ihrer Existenz ersatzlos weg. Die Stadt Berlin lebt sehr stark von der Kultur und sollte im Umkehrschluss auch für diese eintreten. Aber auch jeder Einzelne ist gefordert aufzustehen, wenn der Pegel erreicht ist. Und da bin ich weiter der Meinung, dass dies eher im Verbund als im Einzelkampf funktioniert.
Buchmaier / Welche Personen sind heute auf der Eigentümerseite Eure Ansprechpartner und welche Firmen-Konstrukte verbergen sich eures Wissens nach dahinter? Rocket Internet … Augustus Capital … Alexander Samwer …?
Dobroschke / Die aktuellen Vorstände der Uferhallen AG (z.T. oder ehemals für die Augustus Capital Management tätig) sind unsere Ansprechpartner. Als Hauptaktionäre wurden ArgoPrato und ArvantisPrato genannt. Der Name Alexander Samwer wird gemieden. Eine sehr eigenartige Interpretation des Transparenzbegriffs.
Buchmaier / Welche wesentlichen Erfahrungen in diesem Prozess möchtet ihr weitergeben? Was habt ihr selbst (als Künstler) bisher aus dem gesamten Prozess und den vielen Begegnungen mit Geschäftsleuten, Spekulanten, Politikern und sonstigen „Marketern“ und Repräsentanten gelernt?
Dobroschke / Dass es sich lohnt aufzustehen und die fehllaufenden Prozesse klar zu benennen. Gesellschaftspolitische Teilhabe ist glücklicherweise ein Grundrecht und auch ein Bedürfnis, mit dem ich aufgewachsen bin.
Was ich speziell aus der Uferhallenbaustelle gelernt habe? Vielleicht ansatzweise das Verstehen gewisser stadtpolitischer Prozesse, Strukturen, Abhängigkeiten, Interessenskonflikte … und dass es lohnt, Ideen vorzuformulieren und an der richtigen Stelle zum richtigen Zeitpunkt zu platzieren.
Geduldiges Abwarten ist auch eine der großen Prüfungen, die es zu bestehen gilt.
Franzen / Dass es letztlich nicht um die Spekulanten geht. Die besiedeln Gesetzeslücken, die die Politik zur Verfügung stellt. Wie sähe Berlin denn z.B. ohne Share Deals aus? Da werden statt Grundstücken und Häusern die entsprechenden AG- oder GmbH-Anteile immer weiterverkauft. Die Erlöse einschließlich der gesparten Grunderwerbssteuer fließen durch Firmenlabyrinthe in irgendwelche Steueroasen.
Buchmaier / Welche Zukunftsmodelle für die Uferhallen liegen bereits vor? Ihr habt von einer internen Veranstaltung mit dem Architekturentwicklungs- und Vermarktungsunternehmen REALACE erzählt, das u.a. auch für das Konzept und Image des neuen „Bikini-Haus“ verantwortlich zeichnet … So wie ich verstehe, wurde diese Firma von den neuen Eigentümern beauftragt, in Zusammenarbeit mit Architekten das Areal (jetzt erst mal natürlich nur auf dem Reißbrett) weiterzuentwickeln …
Dobroschke / Hier gab es eine eher pro forma abgehaltene Veranstaltung mit dem wohl unterschiedlich verstandenen Begriff einer „Planungswerkstatt“. Ursprünglich hieß es, wir würden hier mit einbezogen. Das uns eingeräumte Vorschlagsrecht für Architekturbüros wurde zunächst übergangen, dann nachjustiert und die Vorschläge gleich wieder abgewiesen. Man präsentierte uns dann XXL-Überbauungsentwürfe in der Berlin-typischen Klotz-Manier à la höher, schneller, weiter. Die Entwürfe schienen mir ohne ästhetischen Feinsinn für das Gelände sowie unter konsequenter Missachtung des Denkmalschutzes.
Das Treffen vollzog sich als Power-Point-Berieselung. Dankenswerterweise hatte sich Herr Gothe die Zeit genommen, die Eigentümer nochmals auf die Planungsvorgaben des Bezirkes aufmerksam zu machen und lud zu einer Art „Impfung“ ins Rathaus ein. Seitdem ruht die Planungswerkstatt. Nach einem uns erst angekündigten und nun länger verstrichenen Termin haben wir auf Anfrage erfahren, dass man uns voraussichtlich im Januar 2019 wieder einladen werde. Irgendwie ist man gespannt, aber irgendwie auch nicht mehr …
Buchmaier / Was soll laut der Pläne aus dem Areal werden? Soll die vorhandene Bausubstanz u.a. auch in Wohnungen umgewandelt werden? Sollen auf dem Grundstück auch neue Gebäude gebaut werden? Was für eine Art von Areal soll daraus in deren Vorstellung werden?
Dobroschke / Angeblich sollen die Atelierflächen erhalten bleiben. Anfangs hatte man uns zugesichert, dass wir alle bleiben können. Man betrachte uns als „interessante, gewachsene Szene“. Quersubventionierende Wohnungen sollen ergänzend hinzugebaut werden. Pro forma gibt’s dann vielleicht noch die symbolischen Atelierflächen … für den, der sich’s dann noch leisten kann.
Die Konkurrenz unter den Suchenden spitzt sich zu in der Stadt. Sowohl im Gewerbe- wie auch im Wohnungsbereich herrscht akuter Notstand. Hoffen wir, dass hier nicht eine gegen eine andere Gruppe ausgespielt werden wird!
Buchmaier / Und welche Zusagen werden den Altmietern gemacht? Werden die teils noch lange geltenden Mietverträge eingehalten werden?
Dobroschke / Man wünscht sich wohl beim Eigentümer, die Mieter flexibel zu halten. Soweit ich mitbekommen habe, versuchte man bei den meisten Vertragsverlängerungen (einige Künstler haben im Zuge ihres Aktienverkaufes an die neuen Hauptaktionäre 3 Jahre plus bekommen) die Verträge gebäudeunabhängig zu formulieren. Neuvermietungen gehen über Ende 2019 nicht hinaus.
Ansonsten heißt es Vertrag ist Vertrag. Es gibt einige Mieter mit wirklich langen Verträgen. Bisher wurden – soweit ich weiß – die Verträge nicht angezweifelt.
Buchmaier / Stichwort Denkmalschutz … Welche Hoffnung setzt ihr darauf, dass die Stadt, die ja neben wenigen anderen Mitbietern im Verkaufsverfahren unterlegen war, auf die Einhaltung der Vorgaben pocht?
Dobroschke / Nachdem uns immer wieder beteuert wurde, dass auf diesem Areal sowohl der Einzeldenkmalschutz sowie der Ensembleschutz greift und vor jedem Treffen erwähnt wird, dass hier „zunächst jeder Backstein geschützt ist“, hat der Kiez wohl gute Aussichten auf ein Ausbleiben massivster Eingriffe auf dem Areal der Uferhallen.
Buchmaier / Sollten sich die Vorstellung der neuen Besitzer nicht umsetzen lassen, was wären zukünftige Alternativen? Ein erneuter (Weiter-)Verkauf? Eine Zerschlagung, ein Teilverkauf z.B. doch noch an die Stadt? Gibt es sonst weitere Interessenten, vielleicht auch unter den bisherigen Mietern?
Dobroschke / Ja, warum nicht. Auch ein Teilankauf, ein Genossenschaftsmodell für Ateliers in Erbbaurecht sind denkbar … eine Kooperation mit dem Senat (Bereiche wie z.B. die große Ausstellungshalle in Besitz/Langzeitvermietung an das Land Berlin) … oder auch der erneute Versuch mit einer Stiftung zusammenzukommen …
Buchmaier / In den Gesprächen, die ihr u.a. mit dem Kultursenator Lederer (Linke) und mit dem Stellvertretenden Bezirksbürgermeister und Bezirksstadtrat von Mitte, Ephraim Gothe (SPD), geführt habt, welche Hilfe wurde euch angeboten?
Dobroschke / Es wurde uns zugesagt, dass man uns nach Möglichkeit beim Ringen um eine langfristige Sicherung des Geländes unterstützen werde. Wir haben bereits Rückendeckung bei gemeinsamen Treffen mit den neuen Mehrheitseigentümern erfahren. Auch mit dem „Letter of Intent“ (siehe nächste Frage) gab es Unterstützung … bei einigen Punkten fragt man sich dennoch, ob hier nicht aktiver hätte interveniert werden können … so vor allem bei dem Ankaufgebot der Stadt, bevor die neuen Hauptaktionäre zum Zuge kamen.
Buchmaier / Ihr erwähntet einen „Letter of Intent“, der bereits an Künstler verschickt wurde, die noch im Besitz ihrer Aktie(n) sind. Dieser Letter wurde schon im Februar verfasst und von Klaus Lederer, Ephraim Gothe und Marius Babias unterzeichnet. Was genau ist das Anliegen dahinter? Versucht der Senat und Marius Babias als Vertreter des Neuen Berliner Kunstvereins (n.b.k.) nun doch noch etwas zu retten? Stichwort Vermeidung eines „Squeeze Out“ …
Dobroschke / Dieser „Letter of Intent“ wurde entwickelt, nachdem diejenigen Mieter, die auch Aktionär sind, einen Brief des neuen Eigentümers erhalten hatten. Hier wurde der Rückkauf mit einer Vertragsverlängerung von 3 Jahren angeboten. Das widersprach der vorherigen Absprache mit Herrn Heinrich, dass man nach einer Langzeitlösung für alle Mieter suche. Es wurde also unterteilt in mietende Aktionäre und normale Mieter. Das Schreiben enthielt eine Frist sowie den freundlichen Zusatz: „Das Kaufangebot ist einmalig (…) Es wird kein Folgeangebot geben …“ In dieser Situation haben wir den Kontakt zur Stadt gesucht – ursprünglich um gemeinsam mit dem Eigentümer zu verhandeln. Als dieser auf keine Anfrage reagierte, haben wir trotzdem den Termin im Rathaus wahrgenommen, bei welchem jener „Letter of Intent“ geboren wurde. Finanziell und durch juristischen Beistand vom Berliner Senat unterstützt, konnte in Folge der n.b.k. als bereits mehrfach eingetragener Uferhallen-Aktionär für dieses Projekt gewonnen werden. Da er bereits bei früheren Ankäufen vom Vorstand der Uferhallen AG akzeptiert wurde (dies ist ein juristisch notwendiger Schritt beim Weiterverkauf von Aktien), gab es hier ein geringeres Risiko bei der Durchführung des Ankaufsprozesses, als wenn der Senat direkt eine Kaufanfrage gestellt hätte. Zudem gelangen bei der jetzigen Konstruktion die Kunstwerke in eine öffentliche Institution. Das erste Dutzend Neuaktien wurde bereits an den n.b.k. übertragen, die Kunstwerke werden künftig als Teil der Artothek für alle Berliner Bürger ausleihbar. Somit wird auch die Grundidee der Kunstaktie – nämlich Streubesitz – sicht- und erfahrbar. Eine Ausstellung zum Thema der Uferhallenaktien ist in der Pipeline. Mal sehen was es dann stadthistorisch aus dem Wedding zu ergänzen gilt.
Und dann noch kurz zu dem Ziel, über diesen „L. o. I.“ gemeinsam an einen Tisch zu kommen: Auch dies scheint Wirkung zu zeigen. So hat nun neben Bezirk und Senat auch der Atelierbeauftragte – dessen erste Gesprächsangebote beim neuen Eigentümer zunächst nichtig abprallten – einen festen Platz im Verhandlungsgespann.
Buchmaier / Habt ihr bei den Vertretern der Stadt eine Art Reue bemerken können, ein negatives Gefühl, sich bisher so wenig für den Erhalt von Arealen wie den Uferhallen eingesetzt zu haben?
Dobroschke / Das muss man wohl sagen, aber sollte das bei Lippenbekenntnissen stehenbleiben, ist hier weder der Politik noch den Bürgern geholfen. Ich habe neben langen Geduldsphasen aber durchaus auch Tatkraft einzelner Abteilungen erlebt. Trotzdem hat man immer wieder das Gefühl, mit Vollgas und angezogener Handbremse zu fahren.

In Anknüpfung an ein langes persönliches Gespräch auf dem Grundstück der Uferhallen im Spätsommer 2018 wurde das Interview schriftlich Ende November 2018 fertiggestellt.
Foto: Jan Dimog, https://thelink.berlin