Matt Dillon

Wiensowski&Harbord

2022:Mai // Stephanie Kloss

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05-2022

JACK / MATT


In Lars von Triers Splatter-Film „The HouseThat Jack Built“ bezeichnet sich der Serienmörder Jack, gespielt von Matt Dillon, als Künstler. Er nennt sich Mr. Sophisticated. Die 64 Morde sind sein Gesamtkunstwerk: ein Haus aus Menschenleibern in einer Gefrierkammer. Da dies nicht ungestraft bleiben darf, fährt Jack an den tiefsten Punkt der Hölle, dort warten Bruno Ganz („Der Untergang“) und die Dantebarke von Delacroix. Matt alias Jack und Ganz als Vergil, Dantes Fährmann in der Göttlichen Komödie, erwecken die Malerei zum Leben, verschmelzen quasi mit den Figuren auf dem Bild und beschreiben in quälend langsamer Weise den Weg der Menschheit in einen endlosen roten Abgrund.
Bei einem anderen Höllendreh, dem Remake von Till Schweigers „Head Full of Honey“, lernte der Schauspieler Matt Dillon den Sammler/Kurator Harald Falckenberg in Hamburg kennen. Und so kam es, dass nun der Künstler Matt, nicht Jack, seine erste Soloausstellung:„Matt Dillon – Drawings and Paintings“ in der riesigen Belle-Etage von Wiensowski & Harbord in Berlin zeigte.
Der Co-Kurator der Ausstellung neben Falckenberg, Galerist Guido W. Baudach, kennt Matt schon seit 2006 von der Kunstmesse LA-Artfair, wo der Schauspieler bei ihm eine Fotocollage von Erwin Kneihsl kaufte. Versehentlich schrieb Guido damals auf das Paket mit der Arbeit als Adressat: Matt Damon. Dillon rief ihn daraufhin an, beide lachten über den Fauxpas und wurden Freunde.
Ein Klischee, wenn Hollywoodstars im mittleren Alter das Fach wechseln und Kunst machen? Bei Dillon sei das nicht der Fall, sagt Baudach: „Ich sehe Matt, so wie er selbst, als self-taught Neoexpressionist der figurativen Spielart. Er zeichnet und malt ständig und das eigentlich schon immer. Und im Kunstkontext ist er bereits seit Teenager-Tagen in New York unterwegs, wo er bis heute hauptsächlich lebt. Er ist deshalb für mich auch kein malender Schauspieler, auch wenn er kein Profi-Künstler ist und sein Geld anders verdient. Er betreibt das, was er macht, absolut ernsthaft und macht keine Kompromisse. Ob das jetzt Leuten gefällt oder als wichtig eingestuft wird, ist nicht entscheidend. Er ist absolut unabhängig. Sein bester Freund in Rom, wo er ansonsten lebt, ist der Regisseur Abel Ferrara. Ich denke, das sagt eigentlich alles.“
Und so erklärt sich auch, dass viele der Zeichnungen auf italienischen Kassenbuchseiten gemalt sind: „Dare e Avere“, „Soll und Haben“ steht darauf, darunter Köpfe, Tiere, Masken, Fabelwesen, Filmfiguren, alles im Block gehängt. Bei den Zeichnungen denkt man manchmal an Basquiat oder Kippenberger, auch an art brut oder Comic. Ein bebrillter Kopf zeigt Lars von Trier neben den Worten: „Lars needs a girlfriend.“
Harald Falckenberg sagt: bei Matt Dillons Kunst gehe es um die Angst, mit der eigenen Rolle zu verschmelzen, die eigene Maske/ Persona nicht mehr ablegen zu können.
Ob das stimmt? Klar kann auch der Betrachter den Künstler nicht von seinem Image als Hollywoodstar trennen.
Bei Lars von Trier wurde der Darsteller Teil eines Gemäldes. Er stellte also nicht mehr dar, sondern wurde explizit ausgestellt. Vielleicht geht es Matt Dillon einfach darum, eine andere Ausdrucksform zu finden, ohne den psychologischen Überbau, nicht nur vom Regisseur geformt oder ausgestellt zu werden und das dann darzustellen, sondern selbst auszustellen.
Die Masse an Filmen, die Unterschiedlichkeit der Charaktere, die der Hollywoodstar über 4 Jahrzehnte darstellte, lassen dies vermuten. Und die Bilder an den Wänden sprechen ihre eigene kraftvolle Sprache.
In der Schöneberger Altbauwohnung steht kein schizophrener Psychopath vor seinen Arbeiten. Nahbar und freundlich wirkt der Künstler. Trotzdem traue ich mich nicht, mein Teenie-Idol anzusprechen. Ich frage Guido, ob er mir ein Autogramm besorgen könne: „Steffie, lots of Love, Matt“ steht nun auf der Einladungskarte mit seinem selbst gezeichneten Selbstporträt.

Matt Dillon „Drawings & Paintings“ Wiensowsi & Harbord, Lützowstraße 32
10785 Berlin, 12.11.2021–30.1.2022 (verlängert)  
Matt Dillon, Ausstellungsansicht Wiensowski&Harbord, Foto:Stephanie Kloss
Matt Dillon, signierte Einladungskarte Wiensowski & Harbord