Vanity Fairytales

DING-DONG

2022:Mai // Elke Bohn

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05-2022


Ein Ding-Spezial ist so eine Sache! Wobei Sache hier sprichwörtlich, oder gar im Wortsinne genommen werden kann. Denn, und das ist ein großes Glück, gibt es in Berlin die Oranienstraße 25.
Klingelt’s? Nee? Ist das Museum der Dinge.
Dort hat Klaus Biesenbach die Ausstellung DING-DONG kuratiert. In der geht es tatsächlich um eine, klingt jetzt doofer als es gemeint ist, ganz neue Sachlichkeit. Er lässt den Eingeladenen nämlich ihre künstlerische Freiheit nicht.
So muss, obgleich genau dieses vierstellige Wort der Härte zu viel in die Debatte einbringt, Katharina Fritsch ausschließlich zweidimensional arbeiten. Sie bespielt gar zwei Räume mit Papierarbeiten, gedruckt oder gemalt oder anderswie aufgebracht, niemand vermag es mit Sicherheit zu sagen.
Raum Eins zeigt die packende Szene aus „Dr. Strangelove“, der große runde Tisch – oder sagen wir es, wie es ist –, DER große runde Tisch. Die Leiber sind uniform, dunkele Pigmente verschlucken Licht und Identität, verdinglichen, die Gesichter sind von einer automatisierten Lebendigkeit, mit recht groben Farbwechseln ausgeführt; eine, anzunehmend unbewusste, Adaption Vermeers kann nicht geleugnet werden.
Raum Zwei zeigt die UN-Vollversammlung, als Anfang März Lawrow zur Welt sprach, oder eher log. Dutzende verließen den Saal; in Fritschs Adaption jedoch drehen sie dem despotierenden Bildschirm den Rücken. Hier sind es die Gesichter, die vom lichtschluckenden Pigment in eine starre und gleichzeitig erschreckend nicht-artifizielle Anonymität überführt werden. Die sehr unterschiedlich gewandeten Leiber sind farbenfroh und lebendig gehalten. Etwas kitschig, das muss erlaubt sein, jedoch sind wir uns sicher, wir können ja offen denken, das ist und war Absicht.
Räume sind ein Stichwort auch dieser Schau. Wo sollten sonst Werke und Erleben platziert sein. Auch Flure sind ebensolche, sagte und handelte Biesenbach – jedoch auch wieder im Geiste dieses kompakten wie erfrischenden Projektes. So lässt er in den Fluren Projektoren von den Decken – genau, all das auch sind Dinge – strahlen, die uns mit den diesmal und dergestalt technisierten Objekten von Roni Horn beglücken. Nicht alle finden das gut, denn es erinnert doch an die eigene, körperlich undingliche Idee vom Sitzen. Geht aber nicht. In keinem Fall. Auf Kunst soll niemand sitzen. Und auf projizierter geht es gar nicht. Zum Glück. So muss niemand und keine® verscheucht werden. Eher auch hier scheint das Gegenteil – ein offenbares Grundprinzip der Ausstellung – offenbar: Je mehr Besuchende im Wortsinne Staub aufwirbeln, also nicht ruhend kontemplieren, desto präziser sind die Un-Skulpturen von Horn, ihre ersten Un-Dinge zu sehen. Irre.
Im Foyer des Hauses, Platzgründe mögen einen nicht unerheblichen Ausschlag zu dieser Entscheidung gegeben haben, ist eine COOP zu sehen. Nicht der Supermarkt, den die KK – die Kunst-Karawane alljährlich in der schönen Stadt Basel be- und/oder heimsucht. Sondern eine Kooperation, eine Zusammenarbeit, ein Gemeinschaftswerk. In diesem Fall auch, auch wenn nicht nur und auch nicht ganz. Die im zweiten KK, den Kunst-Kreisen nicht und nie ganz ungekannte, global agierende Firma Lego übersetzte im Dialog mit Takashi Murakami dessen „Flower-Heads“ ins Raumgreifende. Ist dieser Beitrag beileibe nicht der konsequentest bestechendste, so freuen sich die Kinder, auch hier wollen wir ehrlich ehrlich sein, daran am meisten. Nicht als Vorschrift, denn auch ältere und junge Menschen freuen sich, manche vielleicht auch am meisten. Doch darum soll es ja gar nicht gehen. Oder nicht müssen. Also gehen müssen. Gefallen kann ja, was gefällt. Doch im Ernst: Murakamis Schaffen umfasst seit jeher auch das Räumliche, er wurde also nicht derart aus seiner Comfort-Zone herauskuratiert (sic!). Lego hat schon mit anderen kollaboriert, oder sich entschieden, weniger entgegenzusetzen. Auch das wird im regen Austausch neben und über die süßen und auch fast riesenhaften Gesichter besprochen. Kennende der Hintergründe, vermeintlich, schlagen eine gar pragmatische Auflösung dieser diversen Dilemmata vor. Murakami hatte schlicht und einfach (auch eine tolle Beschreibung für schöne Dinge) keine Zeit. So musste ein Großkonzern ran. Manchmal kann es so einfach sein. Wunderbar.
Das letzte Projekt der Ausstellung ist auch eines der Wunderlichsten. Biesenbach gelang es, das Studioteam von Thomas Demand – und das ist ganz entscheidend – zu buchen. Dieses Team übersetzt nun eine der ikonischsten Arbeiten von Gursky und eine von Höfer zurück in das, woraus Demand sonst seine erstellt, ein Modell aus Karton und Papier. Diesen beiden auratisch aufgeladenen Urmetern künstlerischer Produktion, bei Demand temporär präsenter Ausgangspunkt, wird hier zur verdinglichten Rückgewinnung ikonografischer und technisierter Bildproduktion.
Höfers Werk, an sich schon visuell-geschichtlich zum Besten gespanntes „BNP Paris XIII“, 1998, wird in einer raumgreifenden Installation rückverdinglicht, noch artifizieller – natürlich – das ist ja klar.
Gurskys „99 Cent“ ist auch ein Raum, in den trotz seiner echten Räumlichkeitniemand und keine® hinein darf. Die gekannte Farbdichte des bildgewordenen Originals übersetzte sich sehr gut, und die leichte hintergründige Schärfengradation wurde – ein echter Coup Biesenbachs – grandios gerettet, da der Raum visuell blieb. Ein Ding!