Mein Ding (4)

Cocotte-Equip-Fahrradkuriertasche

2022:Mai // Andreas Koch

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05-2022

Ich sage immer, Dinge interessieren mich nicht. Ich brauche ein Fahrrad und einen Computer, beide müssen funktionieren. Mehr nicht. Stimmt so wohl nicht, ich besitze natürlich mehr. Außerdem bin ich Künstler und habe ein Lager mit den Arbeiten, die materialisiert sind, also ein paar Fotoabzüge und ein paar Skulpturen. Das Lager ist feucht und muffig und wurde mir soeben gekündigt. Wenn ich eine Ausstellung habe, riecht es erstmal nach feuchtem Keller, wenn die Verpackungen dann weggeräumt sind, wird es meist besser. Am Ende der Ausstellung riecht man nichts mehr. Aber ich gehöre zu den Leuten, die eine Wohnung verlassen können, mit allen Sachen darin, und irgendwo anders mit ein paar Unterhosen, einer Zahnbürste und zwei Paar Schuhen wieder neu anfangen, natürlich mit mehr an als Unterhose und Turnschuhen. Meine Untermieterin muss mit meinen alten Sachen seit einigen Jahren leben, ich habe die Dinge dort seit 15 Jahren nicht mehr angefasst und werde sie wohl demnächst entsorgen oder in ein neues, nicht feuchtes Lager transportieren.
Ok, aber für hier soll ich mich für ein Ding entscheiden, dann nehme ich meine Fahrradkuriertasche. Ich kaufte sie ein paar Jahre nach der Euro-Einführung, vielleicht 2006 oder 2007, für ungefähr 160 Euro bei Dustin von Cicli-Berlinetta, damals noch in der Fehrbelliner Straße. Die Farbe, ein Bordeaux-Rot, fand ich damals schon fragwürdig und eigentlich immer noch. Aber es gab keine andere. Sie hat einen unglaublich geschickten (ein Wort meiner Mutter) Verschluss mit Autogurten als Trageriemen und ich trage die Tasche fast immer mit mir herum. Aber eigentlich ist da fast nur Müll drin, also kein echter Müll, aber Dinge, von denen ich manche nur manchmal brauche (kleine Luftpumpe, Stifte, Tesafilm, Medikamente, Zigarettenfilter zum Beispiel), andere Dinge darin brauche ich nie (kleines Plastikmesser, ein Paar Kindersocken, gelber Impfausweis). Einmal im Jahr miste ich aus. Meine Tasche ist wie ein kleiner tragbarer Keller, aber natürlich auch ein Transporthilfsmittel. Andere haben ein Auto. Mein Auto würde von innen so aussehen wie meine Tasche, nur mit sehr viel mehr Zeug, das sich ansammeln würde. Nicht nur deshalb möchte ich lieber kein Auto besitzen. Die Tasche habe ich jetzt 16 Jahre, ich glaube sie hält noch mal so lange.