nGbK

Umzug nach Mitte

2022:Mai // Christoph Bannat

Startseite > 05-2022 > nGbK

05-2022

Die „neue Gesellschaft für bildende Kunst“ (nGbK) muss raus. Sie verliert die Ausstellungsräume im Erdgeschoss und in der ersten Etage der Oranienstraße 25, in der sie seit 1992 beheimatet ist. Das Haus wurde verkauft und der Mietvertrag nicht verlängert – ganz zu schweigen davon, was an Miete jetzt verlangt werden würde. Und, als wäre das nicht schon genug Seelenarbeit, denn jeder Umzug ist immer auch Seelenarbeit, wurden ihr auch noch die Gelder der Lotto-Stiftung gestrichen. 2019 beschloss der Stiftungsrat, die nGbK (und den Neuer Berliner Kunstverein, n.b.k.) nicht länger als bis Ende 2021 zu fördern, was er seit 1969 tat. Jetzt mussten beide um eine Überführung in den Berliner Haushalt kämpfen. Damit hatte die nGbK es mit zwei Unbekannten zu tun und einen riesigen Berg politischer und organisatorischer Arbeit vor sich, aber sie hat auch die Chance, ihr Profil zu schärfen.
Nach der Auflösung der Deutschen Gesellschaft für Bildende Kunst 1969 in zwei Vereine, einen basisdemokatisch organisierten und einen Direktor*innen geführten, wurde die nGbK von der Senatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten sowie der Deutschen Klassenlotterie finanziert.
In so einem Kunstverein geht es eigentlich um nichts, außer Distinktion. Er produziert nichts, und er muss keinen Gewinn einfahren und bekommt jedes Jahr seinen Etat (bis jetzt). Sicher, für die angestellten Funktionär*innen, sowie die prekär beschäftigten Aufbauarbeiter*innen geht es um deren Arbeitsplatz – so viel Klassenbewusstsein muss sein. Dass es um nichts geht, heißt aber auch, dass es um alles geht. Und alles, das meint nichts anderes als: Das Leben. Im Fall der nGbK geht es aber zunächst um den (Lebens-)Raum und die damit verbundene Kulturtechnik des Ausstellens. Hinzu kommt, dass dieser Verein, mit seinen über 1000 Mitgliedern, ein basisdemokratisch organisierter ist. Und so eine besondere Kultur der Wissensproduktion nach innen und außen pflegt. Da sich „Leben“ in der Kunst für gewöhnlich im Symbolischen abspielt, schwingt immer auch, und in der nGbK besonders, der Glauben mit, dass der symbolischen Ordnung die der Sachen (also der Sachverhalte und Tatsachen) vorausgeht.
Nun solidarisiert sich ein Verein, der sich zusätzlich noch links nennt, mit allem Möglichen. Wobei der Vereinszweifler sich fragt; wo denn unsere Vereinskörper sich, jenseits einer lediglich behaupteten Solidarität, wirklich berühren? Und die Antwort könnte sein; in der Arbeit, der freiwilligen und der bezahlten. In der nGbK ist diese mit vielen oft heftigen Diskussionen verbunden. Und auch das zeichnet die nGbK aus. Wobei Diskussionen bekanntlich dafür gut sind, dass man hinterher die richtigen Gedanken hat. Und auch das zeichnet die nGbK aus.
Beiden Vereinen wurde vor der letzten Berliner Landtagswahl ein eigenen Haus versprochen. Die nGbK soll zukünftig Nutzerin eines Pavillon-Neubaus in der Karl-Marx-Allee sein, finanziert von der Senatsverwaltung für Kultur und Europa und der Wohnungsbau-Gesellschaft Berlin-Mitte. Für die nGbK ist der Einzug für 2027 geplant, bis dahin gibt es eine Zwischennutzung an der Karl-Liebknecht-Straße 13. Dort soll es dann Anfang 2023 losgehen, eine ehemalige Mc-Donalds-Filiale wird dafür auf 700 Quadratmetern umgebaut. Das heißt, raus aus dem Kreuzberger Kiez, rein in die undefinierte, Touri- dennoch kunstaffine Mitte.
In einem Debattenpapier, als Rundmail an die Mitglieder, war das Ringen um Orientierung zu spüren. So soll z.B. die Verbundenheit nach 30 Jahren mit dem Kreuzberger Kiez nicht einfach aufgeben werden. Dagmar Pelger, Teil der Redaktionsgruppe des kollektiv erstellten Debattenpapiers, sieht im Umzug aber auch eine Chance. Denn der Alexanderplatz ist wohl, einzigartig und offensichtlich, eine städtische Bühne für die unterschiedlichsten sozialen Gruppen. Sie sieht die neuen Örtlichkeiten als Teil der Nachbarschaft inmitten eines Wohngebietes. Dank der DDR-Planung wurden Wohnungen, anders als in der BRD, auch an zentralen Stadtplätzen gebaut. Nun müsse sich die nGbK der Herausforderung stellen und sich öffnen. Ganz praktisch könnte die Öffnung der Außentreppe zur Terrasse dazu gehören. Gerade in ihrer Kleinheit, aber mit wirkmächtigen 1000 Mitgliedern ist das eine Chance, zur Zugänglichkeit von Stadtraum beizutragen. Es sind eben keine Top-down und staatlich geförderten Großformate wie das Haus der Statistik, oder das Humboldtforum. Gleichzeitig verweist der neue Ort auf die Geschichte des ehemaligen Plattenbaus, der in den 90er-Jahren bereits Kunstateliers beherbergte und von außen zugänglich war. Es ist also eine Chance, dass der selbstverwaltete, basisdemokratisch organisierte Verein sein scharfes Profil zeigt. Dagmar Pelger ist seit 2018 dabei, angefangen hat alles in einer Arbeitsgruppe, mit einer Feldforschung zu Eigentum und Alltag in der Oranienstraße. Ihre Vorstellung ist es, bei aller Komplexität eines basisdemokratisch organisierten Vereinslebens, den Aspekt der Durchlässigkeit zu verteidigen – formal mit Öffnung zum Alex und inhaltlich mit engagierten Vereinsmitgliedern. Mit „Wer baut eine Vereinsbar?“, „Wer gibt ihr einen Namen?“, „Wer lädt zum collage-basierten Kaffeetrinken ein?“ oder „Wie politisieren wir den Auszug?“ wurden diese Herausforderungen an den neuen Ort sowie an eine sich transformierende, vielleicht neue nGbK, während einer Klausur in der station urbaner kulturen, dem zweiten Standort der nGbK in Hellersdorf, gut auf den Punkt gebracht. Mit der U5 kommt man von dort aus direkt zum Alex und ist in Zukunft auch wesentlich besser verbunden. Das kling alles sehr optimistisch.
Jetzt haben beide Vereine, n.b.k. und nGbK ihren Haushaltstitel und es kann weitergehen.
Mir hat die nGbK zweimal in persönlichen Krisen geholfen und auch dafür bin ich ihr dankbar.

www.ngbk.de
 
Google-Streetview 2007