Peter Duka und Caro Suerkemper

Kunst im Tauthaus

2017:September // Christoph Bannat

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09-2017

Schüler der Peterforschung

Es gibt nur einen Grund in Berlin zu wohnen, es ist nicht das Wetter und nicht die Architektur, es sind die Menschen. Und wenn es einem gut geht, ist jeder eine Möglichkeit, und wenn nicht, jeder einer zu viel – und Berlin hat viele davon. Peter Dukas und Kai Teicherts Bilder sind Möglichkeiten für mich darüber nachzudenken. Eine andere Berlin-Erkenntnis: Verlasse deinen Kiez von Zeit zu Zeit, sonst glaubst du, dass dieser die Welt-Wirklichkeit ist. Eine Ausstellung freier Kunst in der Bruno-Taut-Hufeisensiedlung in Britz ist also eine echte Herausforderung für einen, der in Mitte wohnt. Dort stellt der Berliner Maler Peter Duka und die Skulpteurin Caro Suerkemper in einer privaten, unbewohnten Reihenhauswohnung aus. Eine großartige Ausstellung, was das Arrangement betrifft. Ich mag Caro Suerkempers Arbeiten nicht, sie sind mir zu spekulativ. Sie zielen auf einen Gefühlspunkt in mir, den ich nicht zu erweitern vermag. Anfang der 90er kuratierte ich Arbeiten für eine Hamburg Ausstellung, da war mein Gefühlspunkt noch flächiger. Ich bewundere ihre Bildfindungen, ihre handwerkliche Intelligenz, ihr Geschick in der Wahl der Materialien, aber mir widerstrebt ihr spekulatives Konzept einer bitter-süßen Rezeptur comichaft niedlicher Darstellung von Gewalttätigkeiten. Für Peter wiederum, und ich bin seit Jahren Schüler der Peterforschung, kann ich hier nur zum wiederhalten Male meine volle Bewunderung ausdrücken. Für mich stellen seine Bilder neben denen von Kai Teichert eine aktuelle Fragestellung dar. Wie stelle ich mich der Welt, lautet eine Frage. Wie geht wachsen von einem Ich-gemäßen Standpunkt. Peters späte Bilder wählen das 18. Jahrhundert und verwischen es malerisch zu einer künstlerischen Fragestellung. Einerseits lautet die Frage: Wo lasse ich mich nieder? Wie verlebendige ich diesen Ort und wie verhelfe ich ihm zu Relevanz, also Ernsthaftigkeit, auch für andere? Das macht Peter, indem er Blut fließen, Knochen fliegen und Augen schweben, weißhaarige Frauen mit langen weißen Bärten auftreten und Ruinen uns den Weg weisen lässt. Nun könnte man glauben, dass die Metaphorik des 18. Jahrhunderts ihre Schuldigkeit getan hat, dem aber ist nicht so. Und hier setzt Peterforschung ein. Es ist das Jahrhundert der (1.) Natur als Staffage, (2.) das der artifiziellen Ruinen als Transitorischem Raum, (3.) der Beginn des freien Künstlertums, wie wir es heute kennen und (4.) das Jahrhundert der Französischen Revolution, verbunden mit dem Versprechen durch Arbeit Anschluss an politische Macht zu erhalten.
1. Die Geschichte der domestizierten Natur in Form von Landschaften, diese so natürlich wie möglich aussehen zu lassen, finden wir, beginnend mit der englischen Landschaftskunst bis zur heutigen Idee von Biotopen wieder. 2. Der Glaube an Ruinen als transitorische Räume wird bis heute von Epidauros über Olympia bis Auschwitz als eine politische Geste gepflegt.
3. Georg Friedrich Händel war einer der ersten freien Künstler, der sich (teilweise) jenseits von Kirche und Hof durchschlagen musste, es folgte Mozart. Mit Beethoven beginnt dann der Übergang zum Geniekult und einer Republikanischen Ideenwelt.
4. Pierre Bourdieu hat ja gerade deshalb solchen Erfolg, weil er das heimliche Revolutionsversprechen, durch Arbeit auch zu Macht zu gelangen, hinterfragt. Wurde Macht zuvor durch Abstammung vererbt, wird sie heute, nach Bourdieu, durch Habitus, Sprachduktus und Gesten in Form von Dispositiven weitergegeben. So bleiben die gesellschaftlichen Macht- und Klassenverhältnisse erhalten, hierarchisch und autopoietisch organisiert. So lautet sein Fazit zur französischen Gesellschaft der 70er- bis 90er-Jahre. Vererbt wird jetzt der Habitus, als wichtiges Kapital neben dem Realen.
Was ich sagen möchte, ist, dass die Peterforschung und als deren Unterkategorie die Dukaforschung heute aktueller denn je ist, sie also an die wichtigen Fragen unserer Zeit erinnert. Und das mehr als die (oft verbeamteten) Verwaltungsvirtuosen sogenannter politischer Kunst.

Peter Duka und Caro Suerkemper „schuldig oder unschuldig“,
Kunst im Taut Haus, Parchimer Allee 85 b, 12359 Berlin
11.6.–2.7.2017


Ausstellungsansichten „schuldig oder unschuldig“, Caro Suerkemper und Peter Duka, Foto: Christoph Bannat