Friederike Feldmann

Kunstsaele Berlin

2017:September // Christoph Bannat

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09-2017

„Rickeracke! Rickeracke!
Geht die Mühle mit Geknacke.“

Meine Texte sind intellektuelle Specksteinschnitzereien. Ich fange an mit einem Brocken Wirklichkeit, den ich dann, Wort für Wort herunterschäle, im Gegensatz zum Typ Aufbaukeramik. Die Ausstellung von Friederike Feldmann, Titel: „Streich und Strich. Wilhelm Busch und ich“, ist unterkomplex. Sie ist ein gutes Beispiel, wie die Methode der Dekonstruktion in den Vordergrund rückt und das Eigentliche, in diesem Fall die Kunst von Wilhelm Busch (1832–1908), verdeckt. Die Ausstellung verweigert sich einem Ganzen. Sie fragmentiert und will innerhalb ihrer Teilaspekte schlauer sein als das Original. Das Original aber heißt Wilhelm Busch, den schon Werner Hofmann, Helmut Heißenbüttel oder Sigmar Polke, letzterer eher indirekt, versucht haben, in den Stand eines freien Künstlers zu heben. Keiner hat es geschafft. Dass Wilhelm Busch heute ein eigenes Museum gewidmet ist, hält ihn eher vom Grand-Tour-Betrieb der freien Kunst fern. Dabei sollte er ein Kunst-Standard sein. Immer wieder wird Busch, wird sein Finale furioso aus dem Münchner Bilderbogen zitiert, wird nach volkstümlichen Äußerungen zu Futurismus und Kubismus gesucht. Oder Maler Klecksel gerufen, wenn es um abstrakte Malerei im 19. Jahrhundert geht. Und diesem Maler widmet sich auch die Berliner Künstlerin Friederike Feldmann. Sie nimmt sich den symbolträchtigen Tisch vor, der zwischen freiem Künstler (Maler Klecksel) und seinem Kritiker steht, und später kippt, und an dem beide letztendlich wieder sitzen, nachdem sie miteinander gerungen haben. Sie isoliert und dekonstruiert das Alltagsmöbel und bringt es als Negativschablone an die Wand. Eine schlaue und verheißungsvolle Hommage. Verheißungsvoll wie das „Streich und Strich … “ im Ausstellungstitel. Doch bleiben hier die Streiche aus, deren Kennzeichen es doch ist, die Bahnen der Gewohnheit zu durchkreuzen. Dabei ist die Ausstellung geschickt konzipiert. In einem Raum zeigt Friederike Feldmann ihr handwerkliches Ich. In ihm hängen vergrößerte Busch-Anmutungen, mit Filzmarker gezeichnet. Der Eingangsraum zeigt eben jenen abstrahierten Tisch als Wandmalerei, an den ein kleines Kabinett anschließt, in dem Kopien von Vorzeichnungen Buschs zu Hans Huckebein aus dem Berliner Kupferstichkabinett zu sehen sind. Retrospektiv, also im narrativen Sinne, erscheint mir die Ausstellung als eine runde Sache, zwischen handwerklicher Anmutung, erzählerischer Abstraktion und Arbeit an Geschichte. Ein bruchlos schlüssiger Parcours der Vernunft, entlang der Begriffsposten von Recherche, Original und Reproduktion, Handschrift und Wiederholung. Die eigentliche Kunst aber bleibt Wilhelm Busch vorbehalten. Die Ausstellung verwaltet schlau ihre Begrifflichkeiten, bleibt aber unterkomplex. Hoch komplex dagegen Busch selbst. Bis heute ist es noch keinem gelungen seine metaphysischen Metamorphosen zu entschlüsseln, heißt: treffender darzustellen als er selbst. So wenn Max und Moritz sich vom Organischen, zermahlen, ins Pflanzliche wandeln, um als (Raster-)Punktkonturen von Tieren verspeist zu werden. Wenn der Eispeter im Archiv der elterlichen Speiskammer landet, oder Louis zu Eisgeröll zerschellt, weil sein Retter ihn unglücklicherweise hat fallen lassen. Ganz abgesehen von Max und Moritz’ Sozial-Futter-Fallen-Streich der miteinander verknüpften Brotstücke als Hühnerfutter, annonciert von einer Hahnenschreiansage. In dieser Ausstellung bleibt die freie Kunst auf der Stecke. Die Ausstellung zeigt: Busch muss eben nicht dekonstruiert werden, um sein freies Genie zu unterstreichen, es reicht ihn zu vergrößern, in unseren Herzen und Köpfen.

Friederike Feldmann „Streich und Strich. Wilhelm Busch und ich“, Kunstsaele Berlin, Bülowstraße 90, 10783 Berlin, 28.04.– 25.06.2017