Dave McKenzie

Wien Lukatsch

2015:Mai // Magdalena Bichler

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05-2015

Beobachtungen und Selbsterfahrungen

Ich betrete die Galerie Wien Lukatsch am Schöneberger Ufer und folge der jungen Frau, die mir die Tür geöffnet hat, in den ersten Galerieraum.
Gezeigt wird die zweite Einzelausstellung des in New York lebenden Künstlers Dave McKenzie mit dem Titel: „Pants full of hope, pockets full of adventure, or … don’t call me Cheesuz.“
Laut dem Pressetext der Galerie liegt der Fokus diesmal auf dem filmischen Werk des Künstlers, der seine „Beobachtungen und Selbsterfahrungen“ auch bevorzugt in Aktion, Performance, Installation, Skulpturen und Texten verarbeitet.
Links an der Wand des sehr hell ausgeleuchteten Raumes befindet sich eine schlicht gerahmte Fotografie. An der rechten Wand hängt ein Zeitungshalter aus Holz mitsamt Zeitung. Aber was mich auf den ersten Blick am meisten anzieht, befindet sich in der Mitte des Raumes.
Ein Hantarex-Monitor auf einem Sockel mit einem Klappstuhl davor, auf den ich mich gleich setzen werde. Als ich die ersten Sekunden des geloopten Videos „Toe Drips into the Sun“ (2015) sehe, denke ich sofort: „Oh nein, nicht schon wieder so ein Post-Internet-Zeug!“ Die computergenerierte Ästhetik und der cyanfarbene Hintergrund erinnern mich stark an die vielen belanglosen körperbezogenen Computeranimationen, die in der jungen Kunst gerade so angesagt sind.
Doch ein angenehmer Unterschied ist, dass ich nicht wie vor Kurzem noch von einer manipulierenden Stimme à la Kate Cooper in ihrer Ausstellung RIGGED in den KW eingelullt werde, sondern aufgefordert bin, mir den in schnellem Tempo eingeblendeten Text – der wie ein langer Untertitel fungiert – selbst anzueignen. Was nicht gerade einfach ist, wenn man sich auch noch auf den sich ständig verändernden animierten Körper konzentrieren will.
Am Anfang des Videos erinnert das zu sehende, kupferfarbene Objekt noch an eine Kugel.
Langsam beginnt sie, sich während der Einblendung der ersten Worte: „the most boring of exercises to share a dream with someone else. the short version of this dream sounds like you pissing in my mouth like me smashing in your face …“ hin und her zu bewegen. Während der drei Minuten wird die Bewegung dann immer hektischer und der Text immer unzusammenhängender. Während der Metamorphosen des „Dings“ geht meine Fantasie mit mir durch.
Ich sehe in dem Objekt: eine glänzende Kupferkugel, einen Kometen, einen Stein, ein Stück dunkles, mit Adern durchzogenes Fleisch oder einen Teerklumpen. In der letzten Minute wird das Objekt schwarz, es verlangsamt sich, nimmt wieder die Form einer Kugel an und bleibt stehen. Der Text endet mit den Worten: „should this letter reach you, best regards fondest wishes yours truly xxxe.“ Leider hat mich dieser „Brief“ nicht wirklich erreicht, aber die bemerkenswerte Spannungskurve, die in dem kurzen Film mit nur drei Elementen (Objekt, Text, Bewegung) erreicht wird, und die teils sehr provokanten Textfragmente fesseln mich doch sehr.
Ich stehe von dem bequemen Klappstuhl auf und wende mich der hochformatigen Fotografie „Black Cheesuz“ (2015, archival pigment print) zu, die wie das Video aus dem gerade begonnen Jahr 2015 stammt.
Zu sehen sind dunkelhäutige Hände und etwas grauschwarzes Quadratisches im Zentrum. Die Farbe des Hintergrunds: knalliges Blau.
Die unverkennbar hellhäutigen Stellen an den Fingern, die ich durch die Bildrecherche zu McKenzie im Internet eindeutig als seine wiedererkenne, identifizieren den Künstler auf diesem Bild.
Ein „Selbstporträt“ in einer Bildsprache, die mich an diverse hippe Fotoblogs erinnert. Erst der Titel „Black Cheesuz“ verrät mir, dass neben den schwarz gefärbten Käsescheiben (endlich erkenne ich das unbekannte Etwas) wohl auch einiges an Ironie in diesem Bild zu lesen ist.
Die Zeitung mit dem Titel „When Smoke Butters Bread“ (2015, Edition von 3), die an der gegenüberliegenden Wand hängt, blättere ich nur kurz durch. Sie zeigt Collagen aus verschiedenen Arbeiten von McKenzie. Wie mir eine der Galeristinnen später erklärt, erscheint diese Zeitung mehrmals neu während der Ausstellungsdauer und zeigt „veränderte Blicke auf die ausgestellten Werke“.
Im zweiten Raum der Galerie, der komplett abgedunkelt ist, werden drei ältere Videoarbeiten des Künstlers im Loop gezeigt. Die in fast allen Filmen verwendete Handkamera, die mir ein eher verwackeltes und subtiles Bild des gefilmten Materials vorführt, macht mir deutlich, wie wichtig McKenzie die Selbsterfahrung und Selbstteilhabe an seiner Kunst ist.
Und doch grenzt er sich bewusst durch das Medium Kamera ab, wie er im Film „Camera“ (2012,) durch die Worte „I reach for my camera the camera being the tool that allows distance and creates a wall of operator and subject, documentarian and document, me and you“ deutlich macht. Gemeint ist die Hauptfigur Henry Kissinger, der ehemaligen Außenminister der USA, den er bei einem Empfang in der American Academy in Berlin filmt. Laut Galerietext ist er kein besonders großer Fan seiner politischen Ansichten. Durch die selbst geschaffene Distanz muss er sich also nicht die Frage stellen: „Do you shake his hand or don’t you?“.
Auch in den beiden anderen Videos wird seine beobachtende und kritische Haltung deutlich. Die Museumsbesucher im ersten Teil von „The Beautiful One has Come“ (2012), die die Nofretete in ihrer gläsernen Vitrine beäugen, und die sehr ruhig gefilmten Innenräume einer Ruine im zweiten Teil des ­Videos, vermitteln mir ein Gefühl von Unbehagen im Umgang mit der Kultur unserer Zeit und deren Vergänglichkeit. Warum werden manche Dinge vor dem Verfall beschützt und andere nicht? Das Video braucht keinen zusätzlichen Text, um diese Fragestellung zu vermitteln.
In „Old Man/Sarcophagus“ (2013) ist das jedoch anders. Das Video beginnt mit drei immer schneller werdenden, hintereinander geschnittenen Fotografien, deren Farben eine starke 70er-Jahre-Anmutung haben. Darauf zu sehen: Hände, die wie in einer Werbung eine Halterung und Verpackung für ein Gerät präsentieren. Dann wieder Besucher in einem Museum, die gefilmt werden, während sie alte Sarkophage begutachten. Nach einem Schnitt werden Fotos von verschiedensten Menschen und einer Katze eingeblendet. Schnell hintereinander. Schnitt. Wieder wird das Museum gezeigt. Auffällig ist ein alter Mann, der sich voller Begeisterung tief in einen der Särge hineinbeugt, woraufhin er vom Museumspersonal zurechtgewiesen wird. Die Endszene zeigt McKenzies Hände beim Geschirrspülen in einem Becken, das der Form der Särge ähnelt. Durch die Einblendung der Fotos und des Spülbeckens wirkt dieses Video sehr abstrakt und doch meine ich, eine ähnliche Botschaft wie in „The Beautiful One has Come“ zu lesen.
Auch wenn mir manche seiner Botschaften nicht hundertprozentig klar werden, finde ich, dass McKenzies kritisch forschender Blick auf die heutige Gesellschaft und deren Kunst sehr eigenständig und anregend ist. Er erlaubt mir, in seine Überlegungen und Betrachtungen einzutauchen und an seinen Beobachtungen teilzuhaben.

Dave McKenzie „Toe Drips Into the Sun“, 2015, Videostill, Courtesy Wien Lukatsch
Dave McKenzie „Old Man/Sarcophagus“, 2013, Videostill, Courtesy Wien Lukatsch