Keep mixing things up!

Isa Genzken im Schinkel Pavillon

2012:Apr // Jana Hyner

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04-2012
















Vor dem Schinkel Pavillon wird es ziemlich eng. Eine Baustelle blockiert die gesamte Oberwallstraße und der Eingang zum Pavillon liegt im verschatteten Irgendwo verborgen. Drinnen aber ist alles wie gewohnt: vom Mix aus neoklassizistischer mit moderner Architektur bis zu dem seltsamen, gläsernen Nicht-Raum im ersten Stock mit viel Außen im Innen. Nicht jeder Künstler kann die Weite in dem raumschiffartigen Ort beherrschen und sich gegen die starke Kulisse behaupten, die Berlin rundherum abgibt.
Klar wird allerdings, dass es für Isa Genzken mit ihrer Ausstellung „Hallelujah“ eine ideale Umgebung ist. Wie schon in Venedig bei der Biennale 2007 (beide Ausstellungen wurden von Nicolaus Schafhausen kuratiert) transformiert Genzken auch in Berlin ein komplettes Gebäude zu einer geschlossenen Einheit aus Collagen, Objekten und einzelnen Skulpturen. Die Größte und für sie Ungewöhnlichste steht gleich am Eingang. Sie ist aus drei unterschiedlich großen Holzkisten, wie sie für Kunsttransporte benutzt werden, aufgestapelt. Am Fuß der Kisten lehnt ein großformatiges Donald-Duck-Bild, das Genzken auf dem Trödel gefunden hat, und auf der teilweise freistehenden Oberkante der unteren Kiste des Turms ist, wie auf einem Fensterbrett, ein Weidenzweig neben ein paar Plastikblumen platziert. Die Blumen wirken wie ein Zitat von Genzkens gigantischer Rose, die sie an der Fassade des New Museum in New York installiert hat. Wie überhaupt die gesamte Skulptur mit ihren übereinander gesetzten und gegeneinander verschobenen Kisten in einem Genzken-typischen Verweis auf die kubenartige Architektur des von Sanaa gebauten Museums anspielt.

Doch anders als in ihren bekannten Skulpturen aus länglichen Glaspaneelen in unterschiedlichen Farben, die sie zu vertikalen Assemblagen arrangiert, ist die moderne Architektur hier kein glitzerndes Etwas mit rasterartigen Strukturen, sondern die stumpfe Oberfläche benutzter Transportkisten. Dabei distanziert Genzken sich scharf von der Interpretation ihrer Arbeiten als Ready-made: „Es gibt ein permanentes Missverständnis über die Materialien, die ich benutze. Ich bin nicht an Ready-mades interessiert. Die Bedeutung liegt in der Kombination der Sachen.“
Das Mischen von Dingen, die Auseinandersetzung mit dem Skulptur-Begriff und den verschiedenen Modellen der Moderne setzt Genzken im hinteren Teil des Pavillons fort. Dort stehen zwei Skulpturen neben einem Tisch mit mehreren Stühlen, und ein Digitaldruck des Fernsehturms auf Leinwand lehnt dahinter – eine Referenz an seine reale Version vor dem Fenster. Die beiden Skulpturen sind nach vorne offene, hochkantige MDF-Kästen auf Rollen, die mit farbigen Plexiglasplatten verschalt oder mit Spiegelfolie beklebt sind. Materialien also, wie sie für den Modellbau, für industrielle oder handwerkliche Fertigung genutzt werden. Auf die Kästen selbst hat Genzken Stühle und Sessel aus Kunststoff gestapelt, die sich in fragilem Gleichgewicht in die Höhe schrauben. Durchs Fenster fällt der Blick auf eine Skulptur im Freien, ein nacktes Paar in reinster, moderner Formensprache. Mit Schwung hebt der Mann die Frau in die Luft, sie scheint fast zu schweben. In diesem Nebeneinander wird das generelle Interesse der Künstlerin an der formalen Gestaltung klassischer Bildhauerei sehr klar. Ob das nun Zufall oder Absicht ist, ist marginal, denn Genzkens Arbeiten weisen fragmentarisch immer auf etwas anderes hin. Auch die Panoramaansicht von Berlins Mitte wird damit zu einem Teil im komplexen Zusammenspiel von Innenarbeiten und Außenraum.
In einigem Abstand zu diesem Setting ist ein Regiestuhl aufgestellt, und Isa Genzken selbst hat die Installation als Filmkulisse bezeichnet. Schließlich beschäftigt sie sich seit Jahren mit der Interaktion zwischen dem Transitorischen des Films und der Unbewegtheit der Bildwelt. Und so wird bei der Skulptur ganz rechts im Raum der Sockel zur Bühne für ein surreales Alltagsdrama, dargestellt von Monstern, Actionhelden und Dinosauriern, die neugierig und ein kleines bisschen heimtückisch aus ihren Skulpturenbehausungen herausschauen. Sie sind „auf ihre Weise auch Skulpturen ... billige Dinge, billig hergestellt, billig verkauft“, sagt Genzken. Das ist Pop und doch auch nicht, denn Genzken stellt auch bei den „industriell fabrizierten Skulpturen“, wie sie die vorgefundenen Massenartikel nennt, ihre künstlerische Handschrift heraus. Der Plastikgeier etwa, der oben auf einem der Kästen hockt, ist mit blauer Farbe besprüht. Nachdem sie ihn aus der Unmenge anonymer Dinge ausgewählt hatte, wurde er für immer von ihr „getaggt“.

Im fensterlosen Vorraum des Pavillons hängen drei Collagen. Auf einer davon hat Genzken ein Foto von Joseph Beuys, ein Selbstporträt von Albrecht Dürer und großäugige Welpen mit Aufnahmen von sich selbst kombiniert: am Esstisch mit Freunden, ausgestreckt auf einem Bett und mehrmals im Porträt. Am Ende bleibt die Autorenschaft in Isa Genzkens Parallelwelt voller Realismus eine klare Sache.


Isa Genzken, „Hallelujah“, Schinkel Pavillon, Oberwallstraße 1, 10117 Berlin, 27.1.–11.3.2012.
Parallel zur Ausstellung wurde im Kino Arsenal Isa Genzkens Film „Die Kleine Bushaltestelle“ gezeigt.

Blick durchs Fenster (© Jana Hyner)
Isa Genzken „Hallelujah“ 2012, Ausstellungsansichten Schinkelpavillon (© Jana Hyner)
Isa Genzken „Hallelujah“ 2012, Ausstellungsansichten Schinkelpavillon (© Jana Hyner)
Isa Genzken „Hallelujah“ 2012, Ausstellungsansichten Schinkelpavillon (© Jana Hyner)
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