Am Tag bevor wir Hans-Ulrich Obrists einsamen Weltrekord in „Ausstellungseröffnungsbesuchen an einem Abend“ brechen wollten (Aufgabe nach 145), ging ich zum brandneuen Berliner Kunstevent „abc – art berlin contemporary“ in dem großen Gebäude am Gleisdreieck. Ich kam gerade aus Hannover, vielleicht war mir auch deshalb nicht ganz klar, was diese Veranstaltung genau darstellen sollte. War es eine Kunstmesse? Oder eine neuartige Ausstellung? Zumindest waren viele Menschen da und man konnte wieder viele künstlerische Strategien beobachten, die im Laufe der Nuller Jahre massiv zunehmen: Wie etwa die Integration des Sockels in die Arbeit. Es ist ja auch immer ein Kreuz: Da hat man die fantastische Skulptur endlich fertig und dann? Nun muss sie auf diesen Klotz drauf. Da wirkt sie nur noch halb so schön. Warum den Sockel nicht einfach in die Skulptur integrieren, wenn er schon mal da ist. In Institutionen gibt es ja auch schon immer den Monitorsockel mit einem Fach, wo man ein Abspielgerät reinstellen kann und einem Loch für Kabel durch. Das tut jetzt aber nichts zur Sache, hier soll es ja nun eher darum gehen, warum es immer mehr Arbeiten mit integriertem Sockel gibt. Oben finden wir durch die präzise Schilderung des Problems bereits erste Andeutungen einer möglichen Antwort.
Ähnlich wie die in der letzten Ausgabe besprochene Zacke ist auch der Sockel seitens der künstlerischen Angriffsfläche ein flexibel verwendbares Medium. Er bietet sich sowohl für institutionskritische Bestrebungen (Der Sockel ist symbolisches und pragmatisches Element einer machtvollen Maschine, die uns einengt und sich dadurch immer weiter reproduzieren kann), wie auch für designerisch-gestalterische Eingriffe (Der Sockel sieht langweilig aus und schadet der Wirkung meiner neuen Skulptur) hervorragend an. Objekt und Skulptur zählen wegen ihrer Sperrigkeit und ihrem Hang zur Raumergreifung nicht zu den Marktschlagern, avancierten aber seit genau der Zeit zum neuen Hoffnungsträger des Marktes, als Sockel wieder verstärkt darunter gestellt wurden, denn alle Kunst sollte zu diesem postejakulatorischen Kunstmarkt-Zeitpunkt verkäuflich werden. Dieses offenkundige Problem löst sich am besten, indem man das Antlitz des Sockels künstlerisch gestaltet – und damit die praktische Umsetzung und marktpragmatische Überwindung der sattsam bekannten Theorie von Brian O’Doherty erreicht, denn auch der Sockel ist nur ein scheinneutrales Displayobjekt, das durch die Penetration der künstlerischen Arbeit jeweils individuell zerstört wird. Finalen und vollendeten Charakter erreicht dieses Integrationsprinzip in entweder referenzhochschwangeren oder ausgesprochen dekorativen (im besten Falle beides) Arbeiten, bei denen der Sockel die gesamte Arbeit darstellt, und darauf dann nichts weiter zu sehen ist. Bei solchen Arbeiten, von denen bei der oben erwähnten abc-Veranstaltung äußerst viele zu sehen waren, steigt der Laie aus. Dann muss entweder eine andere Kunstzeitschrift eine Neo-Formalismus-Debatte am runden Tisch eröffnen oder wir packen hier alles in eine Schublade und machen sie zu.