Aber kann man auch eine Biographie fälschen? Diese Frage
erörtert Kuśmirowski heute als Künstler. Seine neueste Arbeit trägt den Titel
„datamatic 880“ und will das Rad der Zeit um genau fünf Jahre zurückdrehen.
Zurück ins Jahr 2002, als eine Einzelausstellung im ostpolnischen Lublin (dort
hatte Kuśmirowski auch studiert) den bis dato unbekannten Künstler mit einem
Schlag berühmt machte. Zeitreise ist das Thema seiner Installation, die in der
Galerie „Magazin“ vorgestellt wird: Fünf Jahre zurück, eben bis zum
Karrierestart, soll es gehen und zwar mit Hilfe des Großrechners datamatic 880.
Eine Kopie? Nicht ganz. Das Original, der amerikanische datamatic 1000 war 1959
gebaut worden, also zu einer Zeit, in der Rechner barocken Schlössern und
begehbaren Labyrinthgärten ähnlicher waren als jenen Nanotechnologien von
heute, die sich jeglichem sinnlichen Zugang verweigern.
Die Fassade des raumfüllenden Computers hat Kuśmirowski, wie in früheren Arbeiten auch, aus flüchtigen Materialien zusammengebastelt: Gips, Klebstoffe, Styropor, Harze, Papier, Pappe. Dazu Fotos und Videos, auf denen zu sehen ist, wie der Körper des Künstlers für die Strapazen der bevorstehenden Reise durch die Zeit präpariert wird. Wird die Sache gelingen? Wird Kuśmirowskis Karriere noch einmal den selben Lauf nehmen, werden Galeristen und Sammler noch einmal so reagieren wie damals – im entscheidenden Jahr 2002? Wie wird sich die Fiktion des Science-Fiction-Plots zum Original der gelebten Biographie verhalten? Solche Fragen hat Kuśmirowski mit anderen Mitteln schon des öfteren gestellt. Mit seinem nachgebildeten Eisenbahnwaggon auf der 4. Berlin Biennale oder mit der Radtour, die er von Leipzig über Paris nach Luxemburg unternahm und zwar im Outfit von 1929, so dass es zu einer Frage des Blickwinkels wurde, ob er selbst ein Fake oder die durchradelten Landschaften und Städte nur eine unwirkliche Kulisse waren.
Die Galerie „Magazin“ ist einer von neun
Ausstellungsorten in dem im letzten Herbst eröffneten Haus von Claas Nordenhake
in der Lindenstraße. Betrieben wird sie von Monika Branicka, einer jungen
Kunsthistorikerin und Kunstkritikerin aus Krakau. Die Wahlberlinerin sprüht nur
so vor Optimismus und bringt jede Menge Ideen für ihre Neugründung mit: „Man
nennt uns nur ‚die polnische Galerie‘“ denn sie zeige überwiegend polnische
Kunst; bekannte Positionen wie den Videokünstler Józef Robakowski oder nun
Robert Kuśmirowski, und in Zukunft Entdeckungen wie Zorka Wolny oder Hubert Czerepok
– Polens Kunstszene, sagt Branicka, ist voller junger Talente und die polnische
Kunst endlich in der Welt angekommen – auch, weil Sasnal, Althamer oder
Żmijewski nun schon dauerhaft auf dem Markt erfolgreich sind. Und während wohl
kein ernstzunehmender polnischer Künstler nur durch die nationale Brille
gesehen werden will, ist wohl auch Branickas ausgesprochene Konzentration
weniger eine programmatische Idee als vielmehr eine Strategie sich auf dem
unübersichtlichen Markt zu positionieren. Branicka will die polnische Szene in
der Stadt stärken, die Galerieräume auch als Veranstaltungsort nutzen und eine
Stiftung gründen. Schön wäre, wenn ihre Aktivitäten auch in Warschau ein Echo
fänden und damit ein wenig mehr Bewegung in den polnischen Kunstbetrieb käme
und zwar auch abseits der beiden Quasi-Monopolisten Foksal Gallery Foundation
und Raster. Branickas Galerie auf der einen und Adam Szymczyk als bb5-Kurator
auf der anderen Seite: wird 2008 das Jahr der polnischen Kunst in Berlin?
Robert Kuśmirowski
„DATAmatic 880“
Galerie Magazin
Lindenstraße 35
4.11.2007–19.1.2008