Jan-Holger Mauss

Laura Mars

2009:Nov // Christoph Bannat

Startseite > Archiv > 11-2009 > Jan-Holger Mauss

11-2009
















Alle Künstler sind neidisch auf Pornos, genauer: auf deren physische Wirkung. Es gibt kaum einen Affekt von Bildern, der so direkt auf die Blutzirkulation wirkt. Eine Wirkung, die uns die Macht von Bildern fühlbar werden lässt. Wenn Kritik heißt, so nicht regiert werden zu wollen, was heißt das dann in Bezug auf die Macht dieser Bilder? Eine Macht, die das vegetative Nervensystem anspricht?

Ob Jan-Holger Mauss sich dieser Fragestellung bewusst ist, ist nicht bekannt, doch er behandelt sie mit seinen Bildern. Seit einigen Jahren rubbelt er auf Pornoheften der 50er-70er Jahre herum. Er entfernt mit einem Radiergummi die Männer aus schwulen, meist schwarz-weißen Pornos. Die Zeitschriften heißen: eos, Him, Mandate, COQ, Euros, Don und Torso, ADONIS, ADAM, amigo, Badi, CRISC-OH, DU & ICH, HONCHO, HUNG UP, IN TOUCH, JOCK, SchlagZeilen, TOY oder Z & O. Sobald er die Bilder berührt, ist immer auch etwas Voodoo mit im Spiel. Seine Form diese Bilderwelt zu erfassen, ist es sie rubbelnd anzugreifen. Er unterzieht die Vorbilder der Erektion einer Metamorphose und hinterlässt uns Nachbilder. Bilder, die den strengen Vorgaben der Pornofotografie zuwiderlaufen. Menschenleere Nebelwälder, verwaiste Flächen, ziellose Momentaufnahmen.

Wie kommt jemand auf die Idee, Offset- und Hochdruckbilder durch Handanlegen zum Verschwinden zu bringen? Eine Tätigkeit, die an sich schon eine erstaunlich komplexe Kulturleistung ist. Gebrauchsgrafik und visuelle Kommunikation bekommen bei Jan-Holgers Arbeiten eine ganz neue Bedeutung. Und sie provozieren die Frage, in welchem Verhältnis, die vor dem inneren Auge herauf beschworenen Bilder beim Onanieren, zu jenen in Pornomagazinen stehen. Im Internetzeitalter, in dem der Zugang zu Pornos leichter geworden ist, hat diese Frage bereits eine politische Konnotation. Es geht eben um Sex, diesem Klebstoff, an dem alles hängen bleibt. Jan Holger Mauss macht ihn etwas weniger klebrig. Er verstrickt den Betrachter in ein detektivisches Spiel, schickt ihn in kunstvoll radierte Nebellandschaften, oder auf Tatfleckensuche in zerdrückte Bettlaken. Doch es bleibt nicht bei dieser Ideenfindung. In selbstvergessener Hingabe hat Mauss darüber hinaus, manisch rubbelnd, Hunderte von Pornos, in etwas Kunstvolles verwandelt. Wobei es ihm nicht nur um die Geste des Rubbelns geht, denn er folgt immer auch den Linien der vorgefundenen Fotografie, mit dem Radiergummi.

Mit dieser Werkphase hat Jan-Holger Mauss seinen dritten wichtigen Werkzyklus begonnen. In seinem Netzbikini- Projekt, einer der wenigen echten interaktiven Performances im Kunstbetrieb, stellt er sich, nur mit einem Häkel-Bikini bekleidet, bedingungslos Künstlern zur Verfügung. Nur die daraus entstandenen, oft wunderschönen Kunstwerke, zeugen von dieser Privat-Performance. Dann folgte eine Fotoserie von öffentlichen Parklandschaften in denen schwuler Sex stattfand. Diese drei Werkzyklen thematisieren das Verschwinden der Vorbilder und deren Wiederkehren in den Nachbildern der Imagination; der Blick auf die leere Naturbühne, eine verpasste Performance und ehemalige Männer.

Jan-Holger Mauss „Rock Hard“, Laura Mars Grp.,
Sorauer Straße 3, 10997 Berlin, 22.08.–9.10.09
Jan Holger Mauss „Schicksale“, Ausradierung aus Pornoheft, 2007, (© Courtesy Laura Mars Grp.)
Microtime für Seitenaufbau: 1.29352498055