Vanity Fairytales

Und wenn die Nacht anbricht…

2009:Feb // Elke Bohn

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02-2009
















Faul ist auch der Berliner, träge und gemütlich – wenn sich das Jahr dem Ende neigt. Doch, wie immer im Jahr, trägt auch hier das pauschale Urteil nie die ganze Wahrheit vor sich her.

Denn, selbst wenn nicht ganz auf der siebten, so doch auf der seinen steht dann, was wir gemeinhin ‚zwischen den Jahren‘ nennen, Gerwald Rockenschaub und macht Musik. Zuvor hat er in Berlins Zeitgeisttempel, der Temporären Kunsthalle seine Autobiografie „Ich will // ich kann!“ vorgestellt und im Podiumsgespräch unter anderem mit Heiner Bastian davon berichtet, dass er so gerne Musiker geworden wäre und wie glücklich es ihn macht, dass er es irgendwie doch auch geworden ist.

Nun hat er neben allerlei schwerem und schwarzem Gerät Stellung auf dem Dach derselben bezogen und bringt diverse Re-Mixe des Kraftwerk Klassikers „Und wenn die Nacht anbricht, ist diese Stadt aus Licht!“ zu Gehör. Für Outsider ohne erkennbaren Grund stehen Monika Sprüth und Philomene Magers neben ihm, und schwelgen. Dabei wirken beide, die wohl im Geiste kreischen, beseelt und auch ein kleines bisschen verliebt.

Teilgrund für diese Performance, die auf seinen Wunsch eigentlich nicht so genannt werden sollte, ist ein gleichwohl ebenso temporärer Eingriff in Berlins Nacht seines Künstlerfreundes und Kollegen Olafur Eliasson, der dem kürzlich vollends dahingeschiedenen Palast der Republik ein effektvolles Denkmal setzt. Große Scheinwerferbatterien sind in Stellung gebracht und schießen jünglingsdicke Lichtsäulen in den klaren Nachthimmel und drohen sich alsbald darin zu verlieren. Zwei Feuerwehrschiffe rangieren am alten Haltedock für die Schutttransporter in Positur und beginnen, einen gigantischen Gischtnebel über dem frischen Brachland zu setzen. In diesem Wassergewand nun zeichnen die Lichtkraken, wie sie rasch genannt werden, den Umriss des Palastes nach. An den alten Dachhöhen hat das Team um Eliasson geschickt geknickte Messingspiegel arrangiert, an stabilen Bambusrohren, die sich im Gleis des Lichts komplett verstecken und Wind, Kälte und Messingmasse spielerisch standhalten. Der alte Spitzname, der mit dem Lampenladen, wird dabei ebenso un-ironisch getroffen, wie das Gebäude und seine Geschichte selbst. Nicht alter Glanz ist Thema der Arbeit, eher die nun mehr unwiederbringliche Vergänglichkeit reeller Stadtgeschichte, ein Thema, in welchem sich Berlin auch über den Palast hinaus nur unmerklich mit Ruhm bekleckert hat. Und durch den Knopfdruck eines einzelnen Künstlers, Technikers oder wen-auch-immer-pars-pro-toto am Pult der Steuerelektronik wird d(ies)er Palast wieder verschwinden. Auch wenn die Umstehenden das nicht so wollten; aber das ist (eine andere) Geschichte.

In der Kunsthalle wird dann doch noch zur ‚Schönen Bescherung‘ geladen; Robert Skuppin und Volker Wieprecht haben in mehreren Kooperationen Plätzchen in Palastform backen lassen. Nach einem Rezept Rirkrit Tiravanijas wurden in der Bahlsen Fabrik am Stadtrand 2009 als ‚open edition‘ hergestellt. Kein anderer als Tobias ‚Hammering Man‘ Meyer bringt sie unter das selten so gierig heischende Kunstpublikum. Glücklicherweise entwirft Tom Ford, von dem sich Meyer einkleiden lässt, keine Weihnachtsmannroben, wird gewitzelt. Der Erlös kommt dann auch nicht der Kunsthalle zugute, nein, das ganze Geld bringen Skuppin und Wieprecht demjenigen Galeristen ins Haus, der auf einer temporären Karaokebühne (in Kooperation mit der Show des Scheiterns) am glaubwürdigsten und auch dramatischsten darlegt, seine Unternehmung sei von der Krise am abscheulichsten getroffen worden.

Dieser Dramatik in Gegenwart enteilend rückt ein weiteres temporäres Exponat des Abends in den Fokus. Im Lager der Kunsthalle hatte Thomas Scheibitz aus leeren, neuen und doch unbenutzten Umzugskartons eine Räuberhöhle errichtet, in der die Kinder tobten. Aktuell leider nicht mehr, einerseits weil temporär und andererseits auch wegen der aktuell fortgeschrittenen Stunde. Die Kinder derer, die noch da sind, sind mittlerweile in temporärer Obhut durch die Babysitter und träumen wie ihre Eltern von einer besseren Welt 2009. Auch wenn die Kinderaugen ungeduldig leuchten wie immer, die drückende Stimmung der Krise ist nicht ganz zu verhehlen. Endlich sei der Rummel vorbei und es ginge (wieder) um Inhalte, ist zu hören – die ganze viele Arbeit der letzten Zeit sei im Eimer – heulen andere schon nach dem dritten Gläschen. Blanke Angst meint man in manchem Auge zu lesen. Frivol zu brüllen KRISE! WELCHE KRISE? trauen sich zum wiederholten Male nur noch urbane Stadtmagazine.

Am Ende passiert es dann doch: Als der Hausmeister, einem strauchelnden Galeristen unter die Arme greifend, die Tür zuschließt und mit schneidigem Ruck auf ihre Verschlossenheit überprüft, ruft er: „Die Party ist vorbei!“
Foto: Google-Bildersuche „Mischpult“ (© the authors)
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