Gruppenausstellung

Autocenter

2009:Feb // Wayra Schübel

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02-2009
















Als ich zu Beginn des Jahres die Einladung erhielt, die erste Ausstellung im Off-Space meines Vertrauens anzuschauen, war ich zunächst missgestimmt darüber, den Ausstellungstitel und kuratorischen Urheber zu lesen. Einer lästigen Ahnung, dass eine Verunglimpfung in einem von mir als frei empfundenen Ausstellungsprojekt stattfindet, musste ich nachgehen.

Sven Drühl ist mir vor zwei Jahren im Flughafen Basel-Mulhouse erstmalig in die Arme gelaufen. Bei einem gepflegten Herrengedeck tauschten wir unsere Befindlichkeiten nach den Baseler Messebegebenheiten aus, amüsierten uns über die aufgeblasene Wichtigtuerei eines vergleichbar kleinen Marktsegmentes wie dem der Kunst. Kurz darauf ging es mit seinem künstlerischen Werdegang richtig steil bergauf.Sporadisch trafen wir uns in den neuen Räumen des Autocenters in der John-Hobrecht-Straße, denn Drühl selbst, als auch sein künstlerischer Freundeskreis sind eng mit diesem Raum verwoben.

Was genau störte mich also an dieser von Kumpel, Kunstwissenschaftler und Künstler Sven Drühl kuratierten Gruppenshow? Bevor ich mir einen Eindruck über die Ausstellung selbst verschaffte, war es dieser selbstreferentielle Ausstellungstitel („S.A.A.B.S.D.P.D.J.I.M.K.R.L.C.P.S.S.S.F.W.M.W.“), der mich aufwühlte: Bestehend aus den Initialen der teilnehmenden Künstler liest er sich nach dem Muster der Werktitel von Sven Drühls künstlerischen Arbeiten. Sein kuratorischer Grundgedanke ist das Zusammenführen der ihm als „spannend erscheinenden Positionen“, ohne hintergründige Ideenintention. „Private Vorlieben und Helden“, denen er ein gemeinsames Auftreten im Autocenterkosmos ermöglicht, „da keiner mit den dort abgedeckten Szenen bislang zusammenhing“. Liest man dann die Liste der Künstler stechen die ein oder anderen bekannten Namen ins Auge. Dies klingt zunächst wie eine Reverenz an den Ausstellungsraum, erweitert es doch seinen Aufmerksamkeitsradius. Hat im Abgang gleichwohl einen schalen Geschmack: Sich mit erstmals präsentierten Pastellarbeiten der noch jungen Kolumbianerin Pabón zu schmücken, sowie denjenigen einen Rahmen zu bieten, die bislang weniger oder in einem diskursiv geringschätzig beachteten Kontext künstlerisch agieren. Somit eine subversive Konnotation des womöglich bereits eingefahrenen Aktionskreises zu schaffen. Neben Pabón ragen zudem die Raumarbeiten von John Isaacs, MK Kähne und die Malerei von Fabian Weinecke in ihrem jeweiligen Werkkontext heraus. Über die Güte der Ausstellung soll sich jeder selbst eingeladen fühlen, im September im Walzwerk Düsseldorf, samt Katalogveröffentlichung bei der Sammlung Bronner eine eigene Meinung zu bilden.

Die finanzielle oder ideelle Förderung der Tour und des Kataloges mögen den Kurator Drühl gezwungen haben, unerklärliche Positionen, wie es bei der Koreanerin SEO am augenfälligsten war, innerhalb einer Zusammenstellung zu präsentieren, die bei ihrem Potential brillanter hätte ausfallen können. Soweit zum Hochmut des besser ahnenden Kritikers.

Wichtiger als mutmaßende Spekulation ist mir die Frage, ob denn in einem gemeinhin als besonders freiheitlich gefeierten Berufsfeld wie dem der schönen Künste, das Interesse am Goodwill, selbst freie Projekte nicht zu stark beschränkt? Christoph Schlingensief hat eine an dieser Stelle passend polemische und dennoch wichtige Frage gestellt, „die Frage nach der Vergänglichkeit, die Frage nach der Erlösung, die Frage nach der eigenen Unfähigkeit, der Sinnlosigkeit von Kunst, der Wunsch, zumindest für eine, seine eigene Sache zu brennen“ (Financial Times Deutschland, 12.09.2008) im Zusammenhang mit seiner Installation „Der König wohnt in mir“, die, nach der Station im Kunstraum Innsbruck, kurzfristig im Autocenter ausgestellt wurde. Der ursprünglich vorgesehene Ausstellungsort, die Kunstwerke Berlin, fiel überraschend aus.

Auffallend befremdlich, dass ein originäres Berliner Urgestein wie Schlingensief in die Grenzen der Darstellenden Künste verwiesen werden soll, was seinem internationalen Selbstverständnis als ungemütlichen Bildenden Künstler schon lange nicht mehr entspricht. Oder wie kommt es, dass kein offiziellerer Rahmen gefunden werden konnte für eine in seiner Schaffens- und Lebensperiode so intensive installative Arbeit?

Es schimmert da jedoch die Aussicht durch, dass, wie auch Drühl die Grenzen von agierenden Netzwerken bei der Zusammenstellung seiner selbstbezogenen Gruppenshow sprengen wollte, die Initiatoren des Autocenters sogar noch einen mutigen Schritt weitergegangen sind. Es sind Kontinuität und Regelmäßigkeit der Ausstellungen, welche die überbordende Projektraumlandschaft bereichern: Nach dem aus dem letzten Jahr viel besprochenen Muster des sensationellen „Forgotten Bar Projects“, indem das hyperaktive Ineinandergreifen sehr vieler unterschiedlicher Kunstakteure die Exklusivität der öffentlichen Wahrnehmung ausgemacht hat.

Neben etlichen possierlichen Eröffnungsabenden, die ich letztes Jahr im Autocenter erlebte, brannte sich auch die eine oder andere kontroverse Darbietung bei mir ein. So die „self-fulfilling prophecy“ von Barbara Breitenfellners Ausstellung mit dem Titel: „Traum einer großen Ausstellung. Ich hatte eine ganz doofe riesige Zeichnung (von einem Clown) und schämte mich sehr. Zwei Mädchen machten eine Performance auf Rollschuhen. War auch nicht so toll“. Oder die bemerkenswerten Fotografien aus der „Nakano Sakaue Serie“ des Malers Olaf Holzapfel. Beide nutzten die 200 qm Ausstellungsfläche in freier Experimentierfreude.

Ein Erfolgsrezept? Wenn unter Erfolg verstanden wird, dass es um die Signifikanz als kommunikativen Diskursort geht, lautet die Antwort klar: Ja. Ein anregender Ort, in dem gute Vorlagen für erhellende Reflexionen geliefert werden funktioniert am besten, wenn die Vermischung all der hunderte atomaren Netzwerke des zeitgenössischen Bildenden Kunstgeschehens sowohl untereinander als auch mit Kreisen anderer Kultursektoren kommunizieren können, wollen und dürfen, über jegliche planbare Erfolgsstrategie hinaus und mit dem erforderlichen Mut, ganz für seine eigene Sache zu brennen.

In diesem Sinne ist Drühls Ausstellung eine exzellente Diskursvorlage. Wie sonst kann auf Kunstinstitutions- und  ‑marktebene eine hinter übermäßig kritischer Vorsicht versteckte Duckhaltung begraben werden? Eine Haltung, die ihre traurige Entwicklung hin zu einer Verwässerung einer einst als kreativer Pool besungene Berliner Kulturlandschaft forciert, was der Stadt in ihrer internationalen Wahrnehmung nur schaden kann.

Aus einem Projektraum wie dem Autocenter kann tatsächlich der Humus werden, der innovative Denkmuster entstehen lässt, die nicht mehr nach einem berechenbaren und immer stärker bröckelnden Starkult gieren.

S.A.A.B.S.D.P.D.J.I.M.K.R.L.C.P.S.S.S.F.W.M.W.
Sonja Alhäuser, Alexander Braun, Sven Drühl, Peter Duka, John Isaacs, MK Kähne, Robert Lucander, Catalina Pabón, SEO, Stefan Sehler, Fabian Weinecke und Maik Wolf
Eldenaer Straße 34a
10247 Berlin
10.1.–24.1.2009
Installationsansicht Autocenter: Maik Wolf, Sven Drühl, Alexander Braun, John Isaacs (Skulptur) (© Foto: Markus Bachmann, Berlin)
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