Rashid Johnson / Guido W. Baudach

Im Wedding was Neues

2010:Dec // Florian Rehn

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11-2010
















Guido Baudach hat ein neues Pferd im Stall. Die Urheber dieses Satzes meinen jedoch in der Regel sein schnittiges französisches Coupé, mit dem er seit kurzem durch die Stadt braust. Andere meinen Rashid Johnson, den 1977 in Chicago geborenen und mittlerweile in New York lebenden Künstler, der aktuell bei Baudach im Wedding zeigt – und ebenso aktuell (Stand Redaktionsschluss) noch nicht unter artists auf dessen Website geführt wird. Johnson hat den Galerieraum beinahe wohnlich eingerichtet, Teppiche mitgebracht, einige Bilder in wohnlicher Größe an die Wände gehängt und Regale aus teilweise Kacheln gebaut.

Doch gemütlich hat er es nicht mit uns gemeint. In vielen seiner Arbeiten thematisiert Rashid Johnson vor allem afroamerikanische Geschichte, was – wie der Pressetext zur Ausstellung verrät – die unbeantwortbare Frage nach unter anderem indentitärer Zuschreibung stellt, sowie der unendlichen Geschichte diskriminierenden Umgangs mit als anders oder exotisch Empfundenem. So gesehen gibt es sogar einen Startpunkt in die Ausstellung; eine mehrfach belichtete Schwarz-Weiß-Fotografie – „Marcus“ – eines Schwarzen in den sogenannten besten Jahren. Zurecht kommt sie einem bekannt vor, stellt sie doch eine wunderbare Interpretation eines Portraits von Frederick Douglass, seines Zeichens einer der bekanntesten Abolitionisten, dar. „The New Negro Escapist Social and Athletic Club (Marcus)“, lautet der genaue Titel der Arbeit und der vermeintliche Name des Models entpuppt sich als weiterer Verweis; hier auf Marcus Garvey, den Gründer der Back-to-Africa Bewegung. Ein doppelgesichtiges Portrait, das Emanzipation und Reenactment zugleich, wenn auch nicht entschieden zu gleichen Teilen, thematisiert.

Um die Ecke dieses Einstiegsportraits ist einer von zwei Teppichen der Schau platziert, bestickt mit einer stilisierten Zielscheibe, von Public Enemy entlehnt, goldfarben und sehr akkurat. Auf diesem Teppich sind in loser Reihung verschieden große Kugeln aus Sheabutter drapiert, die gold-gelb und weiß zugleich sind, jeweils auf einer Seite. Auch in diesem Werk, mit dem elaborierten Titel „How Ya Like Me Now“ steckt eine gewichtige Referenz. Hier auf eine Performance-Arbeit von David Hammons, nämlich „Bliz-aard Ball Sale“ (1983), in der der Künstler in Downtown New York Schneebälle verkaufte, bepreist und aufgereiht der Größe nach, nach reiner kapitalistischer Lehre.

Auf dem weiteren Weg durch die Ausstellung, an den acht Wandarbeiten vorbei, die als Schrein, Altar und/oder Fetischdisplay agieren, dabei zwischen ernsthafter und ironischer Geste changieren, Pflanzen, Plattencover, unterschiedlichste Formen ebenjener Sheabutter und popkulturell aufs Schönste konnotierte Graffititypographien beherbergen, gelangt man zu der zweiten Fotografie, wieder eine Mehrfachbelichtung. In „Krista & Natasha“ agieren zwei nackte weiße Frauen als Model und als Schaustellerinnen für Figuren, die an Yoga oder ähnliche körperbetonte Bewegungen erinnern. Im Vergleich zu „Marcus“ jedoch ist die Mehrfachbelichtung etwas ausgefuchster, und die größer montierte Silhouette kaum gänzlich auszumachen, so verschmolzen ist sie mit der deutlicheren. Dieses Werk findet eine bewegtbildliche Doppelung in der Arbeit „Black Yoga“ – einem Röhrenmonitor, platziert auf dem zweiten Perserteppich der Ausstellung. Im filmischen Teil von „Black Yoga“ vollführt ein Tänzer auf eben jenem Teppich eine mehr oder minder improvisierte Choreographie in einem Berliner Park, doch wirkt der Hintergrund neutralisierend. Seine Bewegungen beschreiben einen steten Wechsel von sanft und an Yoga oder Thai-Chi erinnernd, zu brutal schnell und abgehackt. Ohne es vielleicht intendiert zu haben, verhandelt Johnson hier auch filmimmanente Themen; der Tänzer bewegt sich oftmals derart schnell, dass man annimmt, dass diese Sequenzen schneller laufen, als die übrigen, deren Tempi gewohnt erscheinen. Doch sie sind es nicht, und wieder schlägt einem die Macht der Gewohnheit ein Schnippchen. Und sogleich wird eine Manipulation vermutet, die etwas Besonderes erst möglich macht und als möglich darstellt. Guido W. hat mit Rashid Johnson und „There are Stranger Villages“ eine Ausstellung in seine Weddinger Depandance geladen, die nicht nur einen der aktuell sozialkritisch relevantesten Künstler erstmalig nach Berlin holt; er zeigt auch, wie einfach es dann doch möglich ist, sich dem üblich kurzen Takt der Galerieaustellungsstundenpläne zu entziehen.

Der Künstler selbst nutzt sein Berliner Debüt, das es dabei ja auch ist, elegant; er zeigt signifikante und dabei weiterentwickelte Arbeiten, und er produziert vor Ort die inhaltlich tragenden Säulen seiner Ausstellung. Dabei webt er ein geschicktes und stabiles Netz aus genau gesetzten Verweisen, deutlichen Protesten, präzisen Zitaten, hommagierenden Interpretationen und leicht ironischen Gesten. Eine gelungene Ausstellung, die man erst zu Weihnachten verpasst hätte.

Florian Rehn

Rashid Johnson „There are Stranger Villages“,
Galerie Guido W. Baudach, Oudenarder Straße 16–20, 13347 Berlin, 07. 09. 2010–23.12. 2010

Rashid Johnson, „Krista & Natasha“, 2010 (© Galerie Guido W. Baudach)
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