Mit Schnitte #3

Anja Majer und Esther Ernst bei Tim Eitel

2014:Jul // Anja Majer und Esther Ernst

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07-2014
















Für ihre Gesprächsreihe „Mit Schnitte“ besuchen die Künstlerinnen Anja Majer und Esther Ernst Kollegen und Kolleginnen am Tag nach ihrer Vernissage und laden sie zu einer selbstgemachten Schnitte und zum Gespräch über das Phänomen der Eröffnung im Allgemeinen und den vergangenen Abend im Speziellen ein. Mit Schnitte #3 ist ein Gespräch mit dem Künstler Tim Eitel über die Vernissage seiner Ausstellung „Nebel und Sonne“ am 25. 4. 2014 in der Galerie Eigen + Art in Berlin-Mitte.

Anja Majer  /     Ja, ich möchte nochmal kurz sagen, worum es uns geht bei den Gesprächen. Uns interessiert die Eröffnung als Moment der Trennung von Kunst und Künstler. Und wer macht da jetzt eigentlich was: also was machst du mit deinen Arbeiten, oder ohne die – oder die ohne dich. Und wir fragen uns, ob es da etwas gibt, das tatsächlich alle Künstler gleich erleben, oder was die Unterschiede ausmacht.
Und das Erlebnis des Abends möchten wir uns gleich am nächsten Tag erzählen lassen. Und deshalb, das muss man immer dazu sagen, gehen wir eben auch nicht zu den Eröffnungen.
Wie war denn dein Abend gestern?
Tim Eitel  /     Schön, der war eigentlich wirklich schön. Anstrengend. Fing auch schon früh an, 17 bis 21 Uhr. Und am Anfang bin ich immer total nervös.
Majer  /     Und kommst du pünktlich?
Eitel  /    Ich war schon um 12 Uhr da. Weil Judy, der Galerist, hat für alle zu Mittag gekocht. Für die ganze Galerie und mich. Außerdem mussten wir noch den letzten Raum hängen.
Esther Ernst /    Das heißt, ihr habt das, was eigentlich erst nach der Eröffnung passiert, dass man danach essen geht, vorgezogen?
Eitel  /    Nein, das war zusätzlich, das macht Judy gerne, zu Mittag kochen. Und dass wir da noch mal zusammen sitzen, ist ganz gut, weil mir die Leute dann auch Fragen stellen können zu den Arbeiten.
Ernst  /   Also du gibst eine Einführung für alle Mitarbeiter?
Eitel  /    Ja genau.
Ernst  /   Schön.
Majer  /     Und waren viele Leute da, bei der Eröffnung?
Eitel  /    Ja, schon, es war fast die ganze Zeit wirklich gut gefüllt. Wobei es auch kein so großer Raum ist. Doch, es war eine gute Stimmung, wirklich angenehm.
Ernst  /   Und wenn ihr vorher zusammen esst, besprecht ihr euch dann, wie der Ablauf der Eröffnung aussieht?
Eitel  /    Überhaupt nicht. Also da ging es wirklich nur darum, einfach nochmal zusammen zu sitzen und ein bisschen über die Arbeiten zu reden. Der Rest passiert spontan. Es ist ja auch situationsbedingt. Wenn während der Eröffnung zum Beispiel irgendjemand Bestimmtes reinkommt, kommt es ja darauf an, wo ich mich gerade aufhalte im Raum. Und ob das Sinn macht, dann loszusprinten.
Majer  /   Bist du eher Gast oder Gastgeber? Oder was mittendrin?
Eitel  /    Irgendwo mittendrin, würde ich sagen. Also Gast bin ich nicht, ich bin aber auch nicht wirklich Gastgeber. Auch nicht der Präsentator … schwierig zu sagen. Die eigentliche Arbeit passiert an der Wand. Es sind ja die Bilder, die die Leute anschauen und wegen derer man kommt. Ich bin zwar derjenige, der die Bilder gemacht hat, aber andererseits kann oder mag ich da gar nicht soviel zusätzlich beitragen. Natürlich kann ich ein bisschen erzählen, was mir so im Kopf rumgeht oder ein paar Fragen beantworten. Auf Seiten der Besucher gibt es wahrscheinlich oft die Neugier, wie der Künstler so ist als Typ. Zurück zur Gastgeberrolle: die hat der Galerist, der die Leute empfängt, als Hausherr. Also bin ich wahrscheinlich doch eher Gast, weil die meiste Zeit der Ausstellung, bis auf die Vernissage, ist der Künstler ja nicht anwesend, da muss die Arbeit für sich selber dastehen können. Also ist die Anwesenheit des Künstlers zum einen etwas Besonderes, weil du bist ja nicht alle Tage mit dem Künstler da, und zum anderen vielleicht auch etwas Überflüssiges.
Majer  /     Oder vielleicht etwas wie eine Zierde?
Eitel  /   Ja, es gibt dem Ganzen so was Festliches. Die Arbeiten sind da, der Künstler ist da, der Wein ist da, die Gäste kommen.
Ernst: Lädst du auch Freunde und Familie ein?
Eitel  /    Ja.
Ernst  /   Und wie mischt sich das? Also wie kommst du damit klar, dass die Eröffnung Business ist und gleichzeitig auch ein Fest. Kriegst Du das gut gebacken?
Eitel  /    Ja. Ehrlich gesagt, es liegt auch an der Galerie, dass es für mich sehr wenig Zwang gibt. Ich muss nicht mit Leuten sprechen, mit denen ich keine Lust habe zu sprechen. Weil sich der Galerist um alles kümmert. Und wenn meine Familie da ist – meine Mutter war da und mein Bruder mit Kindern – ist das entspannt. Fast skurril ist, dass es zum Teil sogar richtig gut zusammen geht. Am Ende interessiert es die Sammler auch, wie meine Familie ist. Gerade die Mutter. (Alle lachen)
Majer  /     Und könntest du beschreiben, ob es für dich verschiedene Arten von Vernissagengesprächen gibt. Und bereitest du dich irgendwie darauf vor, also hast du bestimmte Strategien für bestimmte Gespräche?
Eitel  /    Überhaupt nicht. Aber das liegt nicht daran, dass ich es nicht gerne tun würde, sondern dass ich das einfach nicht kann. Mir fällt es wahnsinnig schwer, mir vorher was auszudenken oder festzulegen, auch wenn ich über meine eigene Arbeit spreche. Ich muss mir das jedes Mal, in jedem Gespräch neu erarbeiten. Mich anstrengen. Was manchmal dann zu echt miesen Gesprächen führt. (Lacht)
Ernst  /   Aber Du hast doch bestimmt eine andere Sprache, wenn du in der Galerie über deine Arbeit sprichst, als wie mit deiner Mutter?
Eitel  /    Ja klar. Es kommt auch auf die Fragen an. Es kann schon sein, dass ich mit meiner Mutter genauso darüber spreche, wenn sie bestimmte Fragen stellt. Meine Mutter ist wahrscheinlich auch die Einzige, die an der Vernissage so richtig Kritik übt.
Ernst  /   Nein! Also, Elisabeth Neudörfl hat uns im letzten Schnitteninterview gesagt: Kritik üben darf man erst am nächsten Tag. Und deine Mutter sagt dir dann auf der Eröffnung: Du Tim, das da hinten, das ist nicht gut.
Eitel  /    Ja.
Ernst  /   Und was sagst du dann?
Eitel  /    Inzwischen nehme ich es mit Humor. Und lass mir dann natürlich erklären warum.
Majer  /     Hattest du gestern das Gefühl von Konkurrenz in Bezug auf Kollegen und Kolleginnen? Also nicht im Sinne einer konstruktiven Kritik, sondern dass deine Arbeiten unter diesem Aspekt angeschaut werden?
Eitel  /    Ja bestimmt. Ich könnte mir vorstellen, dass das bei Musikern genau so ist. Dass die sich auch vergleichen, wenn sie auf ein Konzert gehen und sagen, ich würde es jetzt anders machen, oder ich würde es besser machen, oder die Idee klaue ich jetzt. Ich denke diese Art von Konkurrenz spielt immer eine Rolle, wenn man in Ausstellungen geht.
Ernst  /   Und auch Neid?
Eitel  /    Bei manchen bestimmt. Es gibt Leute, die dazu neigen und andere nicht. Aber davon hab ich nichts gespürt gestern. Es war sehr kollegial. Es waren auch viele Künstler da. Was immer besonders schön ist. Das ist nochmal ein besonderes Publikum, mit dem man eine andere Diskussion hat als mit Leuten, die nicht direkt aus der Kunst kommen. Es ist natürlich schmeichelhaft, wenn so viel Künstlerinteresse da ist.
Majer  /     Wie würdest Du den Unterschied beschreiben zwischen einer Galerie- und einer Museumseröffnung?
Eitel  /   Ich würde sagen, die Galerieröffnungen sind meistens wesentlich lustiger. (Lacht)
Ernst  /  Vielleicht weil die Galerie wirklich so eine Art Zuhause ist?
Eitel  /   Ja, auch. Gerade hier in Berlin. Das ist nochmal was anderes, als wenn ich in meiner Galerie in New York ausstelle. Berlin ist wirklich ein Heimspiel und es sind viele Freunde da. Und die Galerie ist wie eine Familie. Ich arbeite jetzt auch schon seit elf Jahren mit Eigen + Art. Im Museum ist es oft ein bisschen seriöser. Da geht es zwar auch um die Kunst, den Künstler und dass die Ausstellung eröffnet wird, aber da hängt noch viel Politik mit dran. Das macht alles sehr viel offizieller und steifer.
Majer  /     Und wenn du von New York erzählst, könntest du Unterschiede sagen, von der Eröffnung gestern zu deiner Galerie dort?
Eitel  /   In New York sieht man mehr Sammler auf Eröffnungen. Hier in Berlin scheinen die Sammler lieber hinterher oder vorher kommen. Dort ist die Ausstellungseröffnung sehr viel geballter und konzentrierter, auch weil sie nur zwei Stunden geht. Bei einer Eröffnung in NY bin ich mal – ganz im Berlinmodus – eine Stunde zu spät gekommen, da war alles schon fast wieder vorbei.
Ernst  /   Und als du in Korea ausgestellt hast?
Eitel  /   Ja, Korea, das war dann nochmal was ganz anderes. Also die Eröffnung war eher seriös und sehr offiziell. Dafür ging es dann hinterher wirklich hoch her. Majer  /     Also raus aus der Galerie und dann …
Eitel  /   Ja, hinterher geht man dann essen, wie immer, und dann …
Ernst  /   … saufen. (Alle lachen)
Eitel  /   Ja, da gibt es einen Toast nach dem anderen und es wird mit jedem Glas angestoßen. Und die Gläser sind immer voll. In Korea ist es so, dass niemand sich selbst was nachschüttet, sondern man passt immer auf, dass der andere genug hat. Und dann wird dauernd angestoßen. Auf alles.
Majer  /     Gehst du generell gern zu Eröffnungen?
Eitel  /   Ja, doch, eigentlich schon. Es gibt ja viele, die finden Eröffnungen ganz grauenvoll, besonders ihre eigenen. Das geht mir nicht so. Ich bin zwar vorher sehr nervös, aber währenddessen macht es eigentlich Spaß. Es wäre irgendwie auch traurig, wenn die Arbeit so ganz ohne Verabschiedungszeremonie verschwinden würde. Majer  /     Ziehst du dich besonders an dafür?
Eitel  /   Nein.
Ernst  /   Und mir scheint, du betrinkst dich auch nicht auf der Eröffnung.
Eitel  /   Ja, das hab ich zwar schon versucht, aber ich habe gemerkt, dass das auf der Eröffnung selbst nicht so angenehm ist. Lieber nicht zu früh anfangen, hinterher geht es ja weiter. Das wird dann schnell zu viel.
Ernst  /   Wart ihr dann gestern noch essen?
Eitel  /   Ja, wir waren noch im Themroc. Ein eher kleines Dinner. Mit allen Galeriemitarbeitern, Freunden, Familie, ein paar Journalisten und Kuratoren … nur Leute, mit denen ich wirklich befreundet bin.
Majer  /     Und die Eröffnung geht für dich tatsächlich bis du die Galerie verlässt, und das Essen ist dann ein anderer Abschnitt?
Eitel  /  Ja. Das ist dann Entspannung. Eigentlich könnte man es vielleicht mit einer Hochzeit oder Taufe vergleichen. Man hat erst dieses Zeremoniell, die Rituale. Und danach werden die Krawatten gelöst und je mehr auf den Tischen getanzt wird, desto besser.
Ernst  /   Und wenn jetzt eine Fee vorbeikommen würde und die würde sagen: Tim, du darfst auf eine Eröffnung nach Wahl gehen, egal welche Epoche. Auf welcher wärst du gerne dabei?
Eitel  /   Also entweder so einen richtigen Salon, oder nein, was ich wirklich gerne gesehen hätte, das ist der Pavillon, den Courbet gebaut hat, um sich selbst auszustellen.
Ernst  /   Und umgedreht: du darfst jemanden, egal aus welcher Epoche, zu deiner Eröffnung einladen?
Eitel  /   Velázquez.
Ernst  /   Aha. Ich hätte dir jetzt Hieronymus Bosch vorbei geschickt.
Eitel  /   Ja, fände ich auch interessant. Aber ich glaube, dass Velázquez bestimmt wahnsinnig gebildet war. Wenn ich seine Bilder sehe, habe ich das Gefühl, dass der ein guter Gesprächspartner wäre.
schnitte (© Anja Major und Esther Ernst)
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