Vanity Fairytales

Reprehensionicum

2015:November // Elke Bohn

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11-2015

Schloss Boitzenburg in der Uckermark, ein verträumt traumhafter Sehrpätsommertag. „Gute Luft“, unken die einen, „fantastisches Licht“, frohlocken die anderen. Gar nichts sagen nur sehr, sehr wenige. Bedächtig knirscht der Kies unter einer Vielzahl von Reifen, breite und breitere. Die allermeisten sind montiert an ähnlich schwarz lackierte Automobile mit beinah gleich getönten Scheiben.
Nach und nach entsteigen den Wagen die bekannteren und auch die ganz bekannten Größen und AkteurInnen des Berliner, und damit auch ein bisschen des internationalen, Kunstbetriebs.
Die Initiative VDE, Verband deutlicher Entwaffnung, hat im Kinder- und Jugendhotel, mit welchem das Schloss sonst gesegnet ist, ein Reprehensionicum eingerichtet. Einen Ort, an dem die KünstlerInnen lernen könnten, mit Kritik umzugehen. Wenn sie denn könnten. Wenn sie denn wollten.
Deren Vorsitzender, ein in Würde ergrauter, unbändig drahtiger Mitbisendfünfziger – mindestens Teak-won-Do UND Taichi Yogi, sonst würden alle noch neidisch werden – begrüßt alle gleich ehrlich freundlich am Fuß der Tür, noch auf dem Kies stehend. Wichtige Geste natürlich, gleiche Augenhöhe und dann erheben sich die Gäste schreitend davon, ins Innen, ins Schloss, ins Reprehensionicum.
Zuvor gab es auch einige Gesprächsrunden mit Publikum. Auch mit Gästen, die keine KünstlerInnen sind oder sein wollen.
In der ersten Runde trafen hier der bekennend anti-feministische Malerfürst Schorsch Baselitz und die derzeit recht oft angetroffene Monika Grütters aufeinander. Hach, was sich da alle die Hände reiben. Wer moderiert das denn, wird offen frotzelnd frohlockt. Gar niemand, außer dem Hausherrn. Und der spiegelt auch nur, der greift nicht so richtig ein und durch schon gar nicht. Doch beginnt das Gespräch sogleich mit Attacke; Baselitz möchte Grütters an die Gurgel, so sagt er, für ihr Hirngewixe mit dem Scheißgesetz, dem verkackten. So eine Riesensauerei! Da mache er nicht mit! Mist, verdammter! Scheiße! Frau Grütters sagt, sie bedauere, dass sich Herr Baselitz dazu entschlossen habe, seine Leihgaben aus deutschen Museen abzuziehen. Die dort, diesen seitenhiebenden Beifüger kann und darf sie sich weder verkneifen noch nehmen lassen, unter, zum Teil immensen Investitionen gezeigt wurden. Finanziert zu einem großen solchen, was manche im Publikum für noch frech untertrieben halten, durch Steuergelder. Was gleichzeitig sicher auch den Marktwert der Marktware gestützt, wenn nicht gehoben hat. Ihr wird non-verbal angedeutet, nicht jedoch wirklich vorgeworfen, das geneigte Publikum etwas merklich auf ihre Seite zu ziehen. Grütters kontert mit gekonntem PolitikerInnen-Schmollmund, der sich etwas keck in eine Grinsegrimasse verformt. Doch sie diktiert das Spiel. Der alte Mann scheint schon verloren. Er kann nicht loslassen, kann nicht einstecken. Nur aus- und verteilen mit seinem großen und dicken Pinsel. Denn der Markt, so antwortet er, habe Grütters längst die lange Nase und den Mittelfinger gezeigt. Die Sammler verschwänden eh alle in die Schweiz oder nach Asien, um ihre bildgewaltigen Vermögen vor den bösen Klauen der sich zusammenrottenden Staatsmachtmissbräuchler zu erretten. Und niemand hätte das Recht, sich da einzumischen. Jeder könne machen, was er will.
Das kann er nicht, widerspricht da die Frau Ministerin. Und verweist, aufstehend, auf das Grundgesetz und den Passus mit dem Eigentum, das verpflichtet. Geist täte das auch, sagt sie, und daher würde sie dieses Gespräch in diesem Kontext beenden. Es habe schlichtweg niemand etwas davon.
Nein, oh nein! kreischen da die heiseren Teile der Anwesendenschaft. Bitte bitte weiterstreiten.
Doch eben darum soll und kann es hier nicht gehen. Es geht ja um den Umgang mit Kritik. Oder eben nicht.
Daher fragt der Hausherr nun den Schorsch, was er für Gefühle hatte. Welche Emotionen. Er spricht von Hass, Mordlust, Trinkfantasmen und auch Todessehnsucht.
Dann soll er die Monika umarmen, muss auch nicht lang sein. Aber ehrlich. Wenigstens.
Das macht er auch und schluchzt sogar ein wenig. Zieht sich mit einem freundschaftlichen Klaps auf die Ministerinnenschulter aus der Affäre.
Die Grütters ihrerseits, die malt dem Malerfürst eine kleine Blume auf den Arm. Mit Schmetterling.
Montage: Andreas Koch