„Geld und/oder Liebe“

Peter K. Koch im Gespräch mit Monika Brandmeier

2012:Aug // Peter K. Koch

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08-2012

















Peter K. Koch  /  Je länger ich über den Begriff nachdenke, desto weniger weiß ich was damit eigentlich gemeint ist: Erfolg. Beim ersten Hören denke ich immer: Klar, das ist doch, wenn einer ganz viel macht und dafür auch noch ganz viel Geld bekommt. Aber die Sache stellt sich doch etwas komplexer dar. Denn erstens haben ja nur sehr wenige das Glück, in diesem möglicherweise auch kurzen Traumzustand zu leben, und außerdem können auch nicht automatisch alle anderen unerfolgreich sein. Das wäre ja grauenhaft. Und so einfach ist es auch nicht. Denn es gibt eine Außen- und eine Innenwahrnehmung und die decken sich selten. Ich kann mich doch z. B. als erfolglos bzw. als erfolgreich wahrnehmen und von Außenstehenden wird das vollkommen anders gesehen, und dann kommt es andererseits ja auch noch auf den Standpunkt dieses Außenstehenden an. Wenn sich jemand umschaut, der sich selber als erfolglos betrachtet, dann sieht er wahrscheinlich überwiegend Erfolgreiche, und sieht sich derjenige um, der sich selber als erfolgreich betrachtet, dann sieht er vielleicht überwiegend Erfolglose oder zumindest weniger Erfolgreiche. Da türmen sich plötzlich sehr viele Fragen bei mir auf. Zum Beispiel, ob man als Künstler überhaupt unerfolgreich sein kann, wenn man kontinuierlich an einem Werk arbeitet. Da folgt ja fast automatisch eins aufs andere. Es erfolgt etwas und daraus erfolgt wieder Weiteres und Neues. Was ist denn jetzt genau Erfolg?
Monika Brandmeier  /  Je nachdem, worauf sich diese Bewertung bezieht. Es ist ja im Grunde eine Evaluation deiner Arbeit, gemessen an deinen Zielen. Es hängt vom Ziel ab, ob du dein Arbeitsergebnis für erfolgreich hältst. Was du beschreibst, ist eine Art von Erfolg: Anerkennung, Zufriedenheit, Ruhm und Geld. Wenn ich mir statt des Künstlers einen Wissenschaftler denke, dann würde ich seinen Erfolg zunächst mal daran messen, ob sein Experiment gelingt, ob er den erhofften Nachweis führen kann oder eine neue Primzahl findet. Ich würde weniger daran denken, ob er viele Bücher verkauft. Der künstlerische Erfolg scheint dagegen von vorneherein außerhalb des Labors, des Ateliers, zu liegen. Aber in Wirklichkeit geht es doch auch bei mir zunächst mal darum, ob da, wo ich ein Leben lang grabe, auch tatsächlich ein Schatz liegt.


Koch
  /  Das ist für den Beginn der künstlerischen Arbeit sicher richtig, denn wenn man beginnt zu graben, dann geht es ja eigentlich ausschließlich darum. Man fängt an zu graben, weil man da etwas vermutet. Das ist ja anfangs ein ziemlich diffuses Gefühl und man weiß gar nicht, ob da was ist, wo man gräbt. Wenn man dann was gefunden hat, dann muss man sich in der Folge darüber klar werden, ob es sich eher um einen Schatz oder eher um einen Klotz (am Bein) handelt. Das kann ja auch sein. Aber darüber entscheidet man nicht selber, sondern die da draußen, außerhalb des Künstlerlabors, in dem was entsteht. Denn jeder ist doch zuerst von seiner eigenen Arbeit überzeugt und denkt: Ui, prima, gibt es so noch nicht, das kann klappen.
Brandmeier  /  Doch, man entscheidet schon selbst. Und ob die Denke „das kann klappen“ – sowohl künstlerisch als auch erfolgversprecherisch –, ob diese Denke richtig ist, bezweifle ich sehr. Aber ich will nicht absichtsvoll an dir vorbeireden. Ich verstehe deine Frage ja. Vielleicht kann man es so sagen: Erfolg suchen wir auf mehreren Ebenen: Zunächst tatsächlich ohne Außenbestätigung, Auge in Auge mit der Sache, mit unseren Werken. Unterschätze das nicht. Jeder, der sich quält weiß, dass das der Kern ist. Wer sich nicht quält, kann gleich einpacken. Die nächste Kategorie von Erfolg ist natürlich die Anerkennung unserer Umgebung. Der Künstler ist, psychologisch betrachtet, vermutlich immer das Kind, das seinen Eltern gefallen will. Und drittens, das lernen wir in jedem Kunstgeschichtsseminar, ist der wahre Erfolg der Einfluss, den ein Werk auf die Kunstentwicklung nimmt.

Koch  /  Ja, ich denke mit diesen drei Kategorien hast du absolut Recht, und wenn man das weiter denken würden, dann wäre der absolute Idealfall ungefähr dieser: Ich quäle mich, ich finde was, das in der Folge von vielen als gut empfunden wird und langfristig einen festen Platz im Diskurs einnimmt. Leider läuft es so aber nur in einigen Fällen. Die meisten Künstlerbiografien laufen doch anders. Mal oben, mal unten, mal Mitte. Mal wichtig, dann unwichtig. Mal in, dann out oder auch umgekehrt. Oder vielleicht überhaupt immer nur so mittendrin. Für mich steht dann immer eine Frage im Raum: Sind alle Künstler erfolglos (im Gegensatz zu den erfolgreichen), bei denen es in einem dieser Bereiche hakt? Denn ein Problem haben doch alle: dass der Anspruch hoch bleiben muss, um weiter gute Arbeiten zu produzieren und dass der oft schwer erfüllt werden kann, weil eben vielleicht ein Element fehlt, Aufmerksamkeit oder Geld oder Einfluss oder was weiß ich. Und dann stellt sich ein Mangelgefühl ein, das immer schmerzt und durch allerlei Kompensationshandlungen betäubt wird. Das ist doch brutal.
Brandmeier  /  Aber es laufen doch alle Biografien so, nicht nur die der Künstler: mal froh, mal frustriert. Das Besondere an der Künstlerlaufbahn ist doch, dass eben der Ruhm mit dem Erfolg gleich gesetzt wird. Das ist, sagen wir, bei einem Handwerker, einem Arzt oder bei einem Landwirt anders. Der kann seine Sache gut machen und einfach darüber froh sein, denn wenn gelingt, was er tut, dann braucht er keine Prominenz. Genau das ist aber die Crux im Kunstbetrieb: Das System lässt deine Arbeiten nur wirksam werden, wenn dein Name ausreichend hoch gehandelt wird.

Koch  /  Aber es gibt doch auch Künstler, die es genauso machen wie die Landwirte. Die bestellen ein bestimmtes Feld und verdienen damit auch genug Geld und die kennt trotzdem so gut wie niemand. Verdienst und Ruhm ist nicht unbedingt miteinander verknüpft. In anderen Berufen ist Verdienst oft gleichbedeutend mit Erfolg.
Brandmeier  /  Und würdest du diese Künstler dann erfolgreich nennen?

Koch  /  Hm, ja, denn Erfolg ist nicht gleich kunsthistorische Relevanz. Erfolg ist Definitionssache. Wenn ich mir das Ziel setze, möglichst viel Geld zu verdienen, dann ist das ja ein Erfolg, wenn ich das erreiche. Oder wie siehst du das?
Brandmeier  /  Genau so. Erfolg kannst du, anders als Berühmtheit, nur an deinen Zielen messen. Ich bin, was meinen Ruhm betrifft, nicht so gesegnet wie, sagen wir: Jeff Koons. Aber ich habe es geschafft, ein Leben zu führen, in dem ich mehr oder weniger uneingeschränkt meine Arbeit machen kann. Das ist schon viel, finde ich. Doch es ist noch etwas komplizierter, denn die Reichweite deiner Arbeit hängt doch sehr davon ab, für wie erfolgreich du als Künstler gehalten wirst. Dein Rang ist sozusagen Teil des Werks, er wird mit gesehen, mit ausgestellt und mit gekauft.

Koch  /  Es gibt also grob gesehen diese Erfolgslinien: 1.: Ich bin ein Künstler, den alle toll finden und der alles verkauft. 2.: Ich bin ein Künstler, den alle toll finden, der aber leider trotzdem nix verkauft. 3.: Ich bin ein Künstler, den alle doof finden und der trotzdem alles verkauft. Was ist denn eigentlich Misserfolg? Wo fängt der an?
Brandmeier  /  Variante 4 fehlt noch, für doof befunden und verarmt! Du redest immer vom Verkaufen. Wichtiger als Ver kaufen ist Zeigen, vielleicht auch Bewahren. Und am allerwichtigsten ist, dass du etwas auslöst mit deiner Arbeit. Egal ob Diskurs oder Lacher, Rührung oder Erkenntnis. Das beste Gefühl ist, wenn du merkst, dass deine Arbeit anderen Künstlern imponiert, dass sie junge Künstler beflügelt, dass sie irgendjemanden behelligt. Wir alle machen Kunst, weil wir geliebt werden wollen. Wir sind sozusagen aus dem Stadium, indem wir der Mama den mit Förmchen gebackenen Sandkastenkuchen anschleppen, nicht rausgekommen. Und werden wir für unsere klugen und schönen Kunstwerke zurück geliebt, in welcher Währung auch immer, dann ist das schon mal ein Erfolg. Kompliziert wird es, wenn du erkennst, dass genau das aber auch eine Falle ist. Du brauchst die Anerkennung, damit man deine Sachen ansieht, aber künstlerisch musst du dich auch gleich darüber hinwegsetzen.

Koch  /  Also Geld und/oder Liebe!
Brandmeier  /  Natürlich gerne Geld und Liebe. Aber darüber hinaus musst du erwachsen werden und dir, wie alle anderen Leute auch, gut überlegen, wofür du dein Leben ausgeben willst. Wenn’s dich nicht nötigt, deinen Phantasien nachzujagen und zu machen, was du machen willst, dann ist das nur Managercoachingstrategie. Aber Kunst ist immer eine Art Flaschenpost. Du hast es nicht wirklich in der Hand, wo die Post landet. Der Gutgläubige ist überzeugt, dass seine Mühen irgendwann, vielleicht sogar post mortem, gewürdigt werden, der Fatalist rechnet damit nicht. Der Realist bemerkt, dass die eine oder andere Würdigung mal vorbei schaut und nicht lange hält. Und vergiss nicht, dass es weltweit großartige Künstler gibt, die überhaupt keinen Zugang zu diesem System haben. Interessant wird die Frage, wenn du das Betriebssystem Kunst per se für schlecht und ungerecht hältst. Hörst du dann etwa auf, künstlerisch zu arbeiten? Oder versuchst du dich anzupassen? Kannst du es schaffen, dass es dir scheißegal ist?
Konkret stellt sich mir die Frage immer, wenn ich Künstlern zuhöre, die sich im zeitgenössischen Kuratorensprech zu ihrer eigenen Arbeit äußern. Ehrlich gesagt, schmerzt mich diese Anbiederung an die Rezeptionsperspektive, sei sie bewusst oder unbewusst. Was ich darin höre, ist der ungefilterte Wunsch nach Erfolg. Wenn du aber, wie soll ich sagen: die Intimität zu deiner Arbeit verrätst, dann stehst du, wenn es mit dem Erfolg nichts wird, mit leeren Händen da. Aber klar ist auch, ohne Erfolg wirst du nicht herausgefordert. Dauerhaft im Stillen kann keiner gut sein.

28_CIMG0114.JPG (© Foto: André Marose)
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