Mit Schnitte #2 / Elisabeth Neudörfl

2014:Mar // Anja Majer, Esther Ernst

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03-2014
















Mit Schnitte  #2
/ Anja Majer und Esther Ernst bei Elisabeth Neudörfl

Für ihre Gesprächsreihe „Mit Schnitte“ besuchen die Künstlerinnen Anja Majer und Esther Ernst Kollegen und Kolleginnen am Tag nach ihrer Vernissage und laden sie zu einer mitgebrachten Schnitte und zum Gespräch über das Phänomen der Eröffnung im Allgemeinen und den vergangenen Abend im Speziellen ein.
„Mit Schnitte #2“ ist ein Gespräch mit der Künstlerin Elisabeth Neudörfl (geb. 1968, arbeitet in Berlin und Essen) über die Vernissage der Ausstellung „unseen aspects of a city“ am 23. 11. 2013 in der Galerie Wien Lukatsch in Berlin-Tiergarten.

Anja Majer   /       Was uns interessiert an den „Schnittengesprächen“ ist der Moment der Trennung von Kunst und Künstler, die bei der Eröffnung stattfindet. Also, was mache ich als Künstlerin? Was macht die Arbeit? Wie abhängig sind wir noch voneinander? Und ich denke auch, dass diese Rollenverteilung Teil des Rituals der Vernissage ist. Wie war denn Ihr Abend gestern?
Elisabeth Neudörfl   /       Ja, total angenehm. Letzte Woche schon, als ich zum Hängen da war, habe ich mich dort gut aufgehoben gefühlt. Ich habe gestern noch vor der Eröffnung mit Barbara Wien und Wilma Lukatsch genau darüber gesprochen: was macht die Künstlerin, der Künstler bei der Eröffnung. Und es war so, dass überhaupt keine Erwartungen an mich formuliert wurden. Ich hatte auch das Recht, mich in die Ecke zu setzen und mit keinem zu reden.
Esther Ernst   /       Ziehen Sie sich denn gern in eine Ecke zurück?
Neudörfl   /       Nein, nein, habe ich nicht gemacht. Aber ich finde es gut, die Option zu haben.
Ernst   /       Trauen Sie sich zu gucken, wie die Besucher Ihre Kunst betrachten?
Neudörfl   /       Ja, klar. Also vor allem, wenn man jemanden nicht kennt, kann man das unerkannt tun.
Ernst   /       Jetzt haben Sie gestern zwei neue Arbeiten ausgestellt. Sind Sie aufgeregt, wenn Sie mit neuen Werken an die Öffentlichkeit gehen?
Neudörfl   /       Ja, aber nicht im Moment der Eröffnung, sondern vorher, wenn es mit Barbara Wien und Wilma Lukatsch darum geht, was gezeigt wird und wie die Arbeiten zusammenkommen könnten. Aber bei der Vernissage ist die Aufregung eben schon durch die beiden abgefedert.
Ernst   /       Sie haben auch eine ältere Arbeit gezeigt. Gab es da eine Wiedersehensfreude, oder zeigen Sie die immer wieder?
Neudörfl   /       Ja, es war auf jeden Fall Wiedersehensfreude. Also die habe ich wirklich ganz lange nicht mehr gezeigt. Das letzte Mal in Winterthur in einer Gruppenausstellung, da konnte ich gar nicht hin.
Ernst   /       Und wenn Sie diese Spanne zwischen der zehn Jahre alten Arbeit und den neuen Fotografien betrachten, finden Sie da Parallelen?
Neudörfl   /       Ich glaube schon, dass es Interessen gibt, die damals schon da waren und nach wie vor da sind. Am Thema Stadt vor allem. Was ist das und was macht das mit einem und wie tritt es einem gegenüber? Ich finde, dass man oft erst im Nachhinein überhaupt sehen kann, was die Arbeiten zusammenhält.
Ernst   /       „der Stadt“ von 1998 (eine der in der Ausstellung gezeigten Arbeiten, Anm. der Autorinnen) zeigt eine deutsche Stadt, oder?
Neudörfl   /       Ja, aber „der Stadt“ widmet sich eben keiner spezifischen Stadt. Die Fotoserie ist zwar größtenteils in Berlin fotografiert, aber das spielt keine Rolle, es sind auch Bilder von anderen Städten dazwischen. Und da geht es  generell um eine Idee von Stadt. Bei „Leipzig“ und „Gladbeck“ geht es viel mehr um die Identität einer bestimmten Stadt.
Majer   /       Ihre Arbeiten stehen ja oft im Kontext einer Historie und sind mit Text oder Sprache verbunden. Und ich habe mich gefragt, ob Sie bei der Eröffnung sozusagen vermittelnd diesen Text sprechen. 
Neudörfl   /       Zum einen gibt es den Text über die Arbeit, der in der Ausstellung ausliegt, zum anderen gehört bei „Leipzig“ eine Liste und bei der „Gladbeck“-Arbeit eine kurze Beschreibung des Ortes dazu. Das sind ganz unterschiedliche Arten von Text und ich finde, die sind schon auch Teil der Arbeit. Ich muss das nicht referieren, sondern ich kann dann über etwas anderes sprechen, wenn ich mit jemandem die Arbeit angucke.
Ernst   /       Sprechen Sie gern über Ihre Arbeit an Eröffnungen?
Neudörfl   /       (lacht) Das ist unterschiedlich – und es kommt darauf an, mit wem. Also es macht schon Spaß darüber zu sprechen, wenn man einen guten Gesprächspartner hat.
Majer   /       Bekommen Sie auch Kritik bei der Eröffnung?
Neudörfl   /       Nein, während der Eröffnung macht man das nicht. Es ist eigentlich unhöflich. Kritik darf man erst am Tag nach der Eröffnung äußern.
Ernst   /       Gehen Sie die Gespräche, die Sie geführt haben, am nächsten Tag noch mal durch?
Neudörfl   /       Nein.
Ernst   /       Empfinden Sie die Eröffnung als einen dichten Abend, weil neben Ihrer Kunst auch Sie im Fokus stehen?
Neudörfl   /       Also ich finde, dass die Dichte auch wieder durch die beiden Galeristinnen abgefedert wird. Weil die eben auch Leuten die Arbeiten zeigen und darüber reden und ich nicht mit allen reden muss. Letztlich ist es ja auch so, dass man intensiv auf diesen einen Tag hinarbeitet und dann auch echt total kaputt ist. Eigentlich ist die Eröffnung eher der Abschluss eines Arbeitprozesses.
Majer   /       Das ist natürlich schön, auch wenn das Verhältnis mit den Galeristinnen so ist, dass man was abgeben kann und sagen: Ich hab jetzt meine Arbeit getan … Nehmen Sie dann vielleicht sogar eher die Rolle der Besucherin ein?
Neudörfl   /       Also ich bin auf jeden Fall nicht Gastgeberin. Und das ist auch total angenehm, weil ich mich um nichts kümmern muss. Klar frage ich den einen oder anderen, ob er was zu trinken will, aber eher freundschaftlich.
Majer   /       Gehen Sie generell gern auf Eröffnungen?
Neudörfl   /       Ja, schon.
Ernst   /       Und ist das dann so ein Berufsding?
Neudörfl   /       Ja, klar. Aber es ist oft auch sozial, um Leute zu treffen.
Ernst   /       Würden Sie sagen, da greifen Freundschaft und Netzwerkerweiterung ineinander?
Neudörfl   /       Ja, das läuft auf jeden Fall ineinander. Obwohl, so strategisch würde ich es gar nicht sehen. Eher weil es Spaß macht, die Leute zu treffen.
Ernst   /       Ziehen Sie sich speziell an für Eröffnungen?
Neudörfl   /       Also für die eigene schon. Das ist für mich schon ein bisschen feierlicher. Aber für andere Eröffnungen nicht. Und ich erwarte es auch nicht von denen, die kommen.
Majer   /       Sie lehren ja in Essen an der Folkwang-Universität als Professorin für Dokumentarfotografie. Da habe ich mich gefragt, ob es einen Unterschied gibt zwischen der Rolle als Künstlerin bei der Eröffnung und beispielsweise als Vortragende an der Uni.
Neudörfl   /       Na klar, bei einem Vortrag kommt es ja viel mehr auf die Performance an. Dass man viel mehr als Person präsent sein muss. Ich finde, bei der Eröffnung ist es die Arbeit, die da ist. Und beim Vortrag muss ich die Präsenz in dem Moment herstellen. Das finde ich schon einen riesigen Unterschied.
Ernst   /       Interessant, weil ich glaube, dass viele Künstler an der Eröffnung eine Popstarrolle einehmen und damit gleichwertig auftreten wie ihre Arbeiten. Wenn ich Sie nun richtig verstehe, sagen Sie ja ganz klar, nein, es geht ausschließlich um meine Arbeit.
Neudörfl   /       Genau. Ich finde schon, dass die Eröffnung der Moment sein sollte, in dem die Arbeit für sich alleine steht und sich von einem löst. Also für mich ist mit der Eröffnung die Nabelschnur durchgeschnitten. Und ich finde, manchmal kann man die Arbeit dann auch angucken, als ob sie nicht von einem selbst wäre.
Ernst   /       Und wenn Sie sagen, dass Sie dann erschöpft sind von dem ganzen Arbeitsprozess davor, gibt es danach ein Loch, in das Sie fallen?
Neudörfl   /       Für die Frage ist es jetzt wahrscheinlich noch ein bisschen zu früh. Aber es ist jetzt nicht so, dass ich morgen nicht wüsste, was ich machen muss. Also der nächste ­Vortrag steht an und so kommt dann eins zum anderen. Also ein Loch ist es nicht, aber direkt die nächste Arbeit fotografieren geht auch nicht.
Ernst   /       Und sind Sie nachher noch essen gegangen?
Neudörfl   /       Wir haben noch in der Buchhandlung gegessen.
Ernst   /       Ist das dann ein anderer Teil der Vernissage, mit einer ganz anderen Stimmung? 
Neudörfl   /       Naja, da geht es dann unter Umständen gar nicht mehr um die Arbeit, sondern um alles mögliche andere, worüber die Anwesenden so reden. Das finde ich aber auch angenehm. Es ist dann wieder eher das Soziale, man trifft sich mit Leuten und redet dann eben über alles Mögliche.
Ernst   /       Haben Sie bei Ihrer Vernissage bestimmte Erwartungen an sich?
Neudörfl   /       Also ich würde mir schon wünschen, dass es mir gelingt, mich nicht völlig zurückzuziehen, sondern kommunikativ zu sein.
Ernst   /       Aber Sie würden sich nicht betrinken, um dann kommunikativer zu sein?
Neudörfl   /       (lacht) Nein, das funktioniert irgendwie nicht.
Majer   /       Haben Sie schon mal eine ganz furchtbare Eröffnung erlebt?
Neudörfl   /       Nee!
Majer   /       Schön!
Neudörfl   /       Also ich hatte schon mal eine Eröffnung in Hannover im Ministerium für Wissenschaften und die war vormittags und es gab nichts zu trinken, noch nicht mal Wasser. Aber Reden. Und das fand ich schon komisch, weil man sich dann dort nicht aufhalten wollte. Weil das Kunst-Angucken eben auch oft nicht in den ersten fünf Minuten passiert. Und das muss der Ausstellungsmacher schon irgendwie schaffen, eine Atmosphäre zu erzeugen, die die Leute da hält, bis es passiert ist.
Ernst   /       Wenn Sie eine Gästeliste nach Wunsch anfertigen könnten für Ihre Vernissage, wer würde da drauf stehen?
Neudörfl   /       (lacht) Oh, also das ist ein bisschen schwierig, weil, will man wirklich, dass Leute, deren Arbeiten man bewundert, die eigene Arbeit sehen? Oder will man sich lieber in deren Schatten verziehen … Oder was würde man davon erwarten? Also es könnte auch nicht darum gehen, eine Absolution erteilt zu bekommen von jemandem, den man gut findet.
Also eigentlich bin ich ganz zufrieden mit meinen Gästen.
 
Foto: Anja Majer, Esther Ernst (© )
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